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Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Titel: Gebannt - Unter Fremdem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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Äther schien nun stärker zu leuchten und floss in schimmernden, blauen Strömen über den Himmel. Als sie das Bedürfnis zu singen verspürte, ging Arias Atem schneller.
    Sie sang eine Arie aus der Oper Tosca  – jene Arie, die sie am Morgen von Luminas Abreise nicht hatte singen wollen. Doch die Worte kamen gepresst über ihre Lippen, als abgehackte, zerrissene Laute – Laute, die es nicht wert waren, gehört zu werden. Nach ein paar Zeilen hörte sie auf und umschlang ihre Knie. Sie hätte alles dafür gegeben, jetzt mit Lumina im Opernhaus zu sitzen.
    »Es tut mir leid, Mom«, flüsterte sie in die Leere, die sie umgab. »Ich wusste ja nicht, dass es das letzte Mal sein würde.«

Peregrine   | Kapitel Zehn
    Perry hielt auf den Ozean zu und ließ Wylan vorausgehen. Er schlug ein langsames Tempo ein, da er Talon nicht überanstrengen wollte. Als sie die letzte Sanddüne erklommen hatten, breitete sich vor ihnen die Meeresbucht aus. Das Wasser war klar und blau, genau wie am Abend zuvor, als er darin geschwommen war. Angeblich war das Wasser vor der Einheit immer so klar gewesen – nie mit Schaum bedeckt oder nach totem Fisch stinkend. Damals waren viele Dinge anders gewesen.
    Kaum hatten sie den Strand erreicht, als Wylan sich seine Horchermütze aufsetzte und die wattierten Seitenklappen bis über die Ohren zog. Der Wind und die tosende Brandung erzeugten offensichtlich mehr Geräusche, als ihm lieb war – genau wie Perry es gehofft hatte.
    Perry steckte seinen Köcher in den Sand und nahm seinen Bogen. Im bewölkten Ätherhimmel kreisten einige wenige Seevögel. Dürr, wie sie waren, gaben sie eine dürftige Beute ab, stellten dafür aber ein gutes Übungsziel für Talon dar. Die Wahl des richtigen Zeitpunkts war wichtig. Den Wind einzuschätzen. Das Tier zu deuten.
    Talon schlug sich wacker, doch Perry erkannte, wie schnell er ermüdete. Das Zuggewicht von Perrys Bogen war zu groß, und er wünschte, er hätte daran gedacht, Talons Bogen mitzunehmen. Nach einer Weile übernahm er die Waffe von seinem Neffen und schoss ebenfalls ein paarmal. Dabei verfehlte er kein einziges Ziel. Wenn sein Blut in Wallung geriet, sah er alles noch schärfer als sonst.
    Wylan schaute den beiden zunächst noch zu, langweilte sich dann aber und stapfte davon.
    »Willst du sehen, was ich dir mitgebracht habe?«, fragte Perry mit gesenkter Stimme.
    Talon runzelte die Stirn. »Hm? Ach ja, stimmt.«
    Offenbar hatte der Junge vergessen, dass Perry noch eine Überraschung für ihn hatte – was Perry die Kehle zuschnürte. Er konnte sich ausmalen, was auf Talons Gemüt drückte. Denn es bedrückte ihn selbst genauso.
    »Du darfst niemandem davon erzählen, okay?« Perry durchsuchte seinen Beutel nach dem Kunststoffbündel. Dann zog er den Apfel hervor, ließ aber die transparente Augenklappe in der Plastikfolie.
    Verwundert starrte Talon ihn einen Moment an. »Hast du Händler getroffen?«, fragte er schließlich.
    Perry schüttelte leicht den Kopf. »Erzähl ich dir später.« Wylan mochte zwar seine Mütze aufgesetzt haben, aber er war einer der besten Horcher, die Perry kannte. »Halt dich lieber ran, Quieks.«
    Mit einem Lächeln im Gesicht aß Talon eine Hälfte des Apfels, wobei ihm kleine Stückchen Fruchtfleisch in den Zahnlücken hängen blieben. Dann gab er den Rest Perry, der ihn mit zwei Bissen samt Stiel und Kernen verputzte. Als er sah, dass sein Neffe mit den Zähnen klapperte, zog Perry sein Hemd aus und legte es Talon um die Schultern. Schließlich setzte er sich, stützte sich auf die Hände und genoss den süßen Nachgeschmack. Am Horizont erleuchteten blaue Blitze die Wolken. Außerhalb der Wintermonate mussten sie auf dem Land eigentlich keine Ätherstürme befürchten, doch draußen auf dem Meer konnte man vereinzelte Stürme nie ganz ausschließen.
    Talon ließ seinen Kopf auf Perrys Arm sinken und zeichnete mit einem Stock im Sand. Er war ein geborener Jäger, genau wie Perry, aber darüber hinaus auch künstlerisch begabt, wie seine Mutter es gewesen war. Perry schloss die Augen und fragte sich, ob dies wohl das letzte Mal war, dass er so empfinden würde. Er hatte das Gefühl, genau dort zu sein, wo er sein sollte. Als sei für ein paar Minuten alles im Gleichgewicht. Dann spürte er, wie sich das Gleichgewicht verschob und ein Kribbeln seine Nase reizte.
    Durch die Lücken in den Wolken sah er den Äther wild fließen, schäumend wie weiße Gischt auf rauer See. Der Strand lag blau glänzend vor

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