Gebannt - Unter Fremdem Himmel
Spur.
Dafür roch er den scharfen Geruch von Gallenflüssigkeit. Wylan kam angehumpelt, eine Hand auf die Beule gepresst, die der Siedler ihm an der Stirn verpasst hatte. Auf dem Rückweg hatte er sich zweimal erbrochen. Der Gestank hing immer noch an ihm. »Ich möchte jetzt nicht in deiner Haut stecken«, stieß Wylan hervor. Seine Augen blickten dunkel und düster. »Ich habe die Maulwürfe gehört. Sie waren hinter dir her. Vale wird dich in Stücke reißen.«
»Er wird mich brauchen, um Talon zurückzubekommen«, erwiderte Perry.
Wylan beugte sich vor und spuckte. Dann lachte er. »Peregrine, du bist der Letzte, den Vale braucht.«
Perry fand sämtliche Dorfbewohner auf der Lichtung vor. Eine heitere Stimmung und festliche Musik lagen in der Luft. Fackeln tauchten das Gelände in einen goldenen Schimmer, der sich deutlich vom kühlen Licht jenseits des Dorfwalls unterschied. Einige Paare tanzten. Kinder wimmelten durch die Menschenmenge, versteckten sich hinter den Röcken der Frauen und quietschten vergnügt. Es war eine seltsame Szenerie – so als sähen sie nicht, dass sich über ihnen ein Äthersturm zusammenbraute. So als kümmerte es sie nicht, dass jeden Augenblick Feuer vom Himmel regnen konnte.
Vale saß auf einer der Holzkisten am Kochhaus und unterhielt sich mit Bear. Er hielt eine Flasche in der Hand und wirkte entspannt. Zufrieden damit, den Feiernden zuzuschauen.
»Perry!«, rief Brooke und griff dann erschrocken nach dem Arm ihres Nebenmannes. Ihr Alarmsignal brandete durch die Menge, und die Musik verstummte. Nun hörte Perry nur noch das verstörte Schreien und Blöken der Tiere im Stall.
Vale starrte Perry an, und sein Lächeln verblasste. Er sprang von der Kiste herunter, trat einen Schritt vor und suchte die Menge hinter Perry mit den Augen ab. »Wo ist Talon? Wo ist Talon, Perry?«
Perry schwankte. Er konnte die bronzefarbenen Flecken in Vales grünen Augen erkennen. »Die Siedler haben ihn. Ich konnte sie nicht aufhalten.«
Ohne den Blick von ihm zu wenden, reichte Vale jemandem seine Flasche. »Wovon redest du, Peregrine?«
»Die Siedler haben Talon entführt.« Er konnte nicht glauben, dass er die Worte ausgesprochen hatte. Dass sie der Wahrheit entsprachen. Dass er hier war und Vale erzählte, dass sein Sohn verschwunden war.
Vales dunkle Brauen zogen sich finster zusammen. »Das kann nicht sein. Wir haben ihnen nichts getan.«
Perry nahm die verblüfften Gesichter um sich herum wahr. Er hätte Vale nicht hier davon erzählen dürfen. Sobald er die Wahrheit begriff, würde ihn die Nachricht am Boden zerstören. Doch als Kriegsherr, als Talons Vater, sollte er das nicht hier vor dem Stamm durchmachen müssen. »Lass uns nach Hause gehen«, sagte Perry.
Vale zögerte. Einen Moment lang schien es, als würde er Perry folgen wollen – bis Wylan sich zu Wort meldete. »Erzähl es ihm hier. Alle sollen es hören.«
Zögernd trat Vale näher. »Nun erzähl schon, Peregrine.«
Perry schluckte heftig. »Ich bin … in die Festung der Siedler eingebrochen.« Selbst in seinen Ohren hörte sich das jetzt lächerlich an, wie ein Jungenstreich. »Neulich, nachts«, fügte er hinzu. »Nachdem ich fortgegangen war.«
Vale musste wissen, dass er nach ihrer Auseinandersetzung losgezogen war. Dass er sich benommen hatte wie ein frustriertes Kind und dass er wie immer leichtsinnig gehandelt hatte.
In der nun folgenden Stille ging Perrys Atem schnell, als wäre er gerade gerannt. Er nahm Dutzende von Stimmungen wahr: Wut. Erstaunen. Erregung. Die Intensität, die Farben und die Temperaturen waren so stark, dass ihm übel wurde.
Fassungslosigkeit spiegelte sich auf Vales Gesicht wider. »Weil du dort eingedrungen bist, haben sie sich meinen Jungen geschnappt?«
Perry schüttelte den Kopf. »Sie hatten es auf mich abgesehen. Talon war einfach nur dabei.« Er konnte seinem Bruder nicht länger in die Augen schauen und starrte auf das Wirrwarr von Fußspuren im Staub. Einen Sekundenbruchteil später flog sein Kopf zur Seite, und dann schlug seine Schulter auf dem Boden auf. Er schaute zu Vale hoch, und eine heiße Woge der Wut schoss ihm durch die Adern. Er lag zu Füßen seines Bruders. Dort hätte er liegen bleiben sollen. Das hatte er verdient. Doch das konnte er nicht.
Er sprang auf.
Vale zog sein Messer.
Auch Perry ließ seine Klinge aufblitzen. Die Leute schrien auf und wichen vor ihnen zurück.
Perry konnte nicht fassen, was geschah. Talon sollte hier sein, nicht er. Er hätte
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