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Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Titel: Gebannt - Unter Fremdem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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bald wieder endlose Meilen mit ihm zurücklegen. Ratlos setzte sie sich an einen Baum, pflückte eine Kiefernnadel und brach sie in winzige Teile. Wenn sie darüber nachdachte, war es offensichtlich: simple Vererbungslehre. Die Bevölkerung der Außenseiter war klein. Bei einem solch begrenzten Genpool bestand die Gefahr, dass jede Änderung des Erbguts sich rasch verbreitete. Ein Tropfen Tinte zeigte in einem Eimer Wasser mehr Wirkung als in einem See. Und da der Äther Mutationen beschleunigte, hatte die Einheit eine Umwelt geschaffen, die reif für Gensprünge war.
    »Ich kann das einfach nicht glauben«, sagte sie schließlich. »Ihr seid eine Subspezies. Ist da sonst noch etwas? Gibt es noch andere Merkmale, die sich verändert haben? Eure Zähne zum Beispiel?«
    Roar ließ sich neben ihr auf den Boden sinken, den Rücken gegen denselben mächtigen Baumstamm gelehnt. Er war zwar nicht so groß wie Perry, aber sie musste trotzdem das Kinn heben, um ihm ins Gesicht zu sehen. Ätherlicht fiel auf die gleichmäßigen Konturen seines Profils, das aus vollkommen geraden Linien und makellosen Proportionen bestand. Im Gegensatz zu Perry besaß er auch keinen Flaum am Kinn.
    »Nein«, antwortete Roar. »Nicht unsere Zähne haben sich geändert, sondern eure.«
    Instinktiv presste Aria die Lippen zusammen. Es war ihr bisher nie aufgefallen, aber er hatte recht. Vor der Einheit hatten Zähne anders ausgesehen.
    Roar lächelte, fuhr jedoch fort: »Aber es gibt Unterschiede zwischen uns Sinnesträgern. Witterer sind in der Regel hoch aufgeschossen. Ihre Fähigkeit ist eine große Seltenheit. Dagegen kommen Seher eher häufig vor. Seher sehen gut und sehen gut aus, aber bevor du dich jetzt fragst: Nein, ich bin kein Seher. Habe bloß Glück gehabt.«
    Aria musste unwillkürlich lächeln. Sie war erstaunt, wie ungezwungen sie sich in seiner Gesellschaft fühlte. »Und was ist mit deiner Art?«
    »Mit den Horchern?« Er schenkte ihr ein verschmitztes Grinsen. »Es heißt, wir sind listig.«
    »Hätte ich mir denken können.« Sie schaute auf seinen Bizeps herab und stellte sich die Tätowierungen vor, die unter seinem dunklen Hemd verborgen sein mussten. »Wie gut kannst du hören?«
    »Besser als jeder andere, den ich kenne.«
    »Kannst du Gefühle hören?«
    »Nein. Aber ich kann die Gedanken einer Person hören, wenn ich sie berühre. Das gilt nur für mich, nicht für jeden Horcher. Und mach dir keine Sorgen, ich werde dich nicht anfassen. Es sei denn, du willst es.«
    Sie lächelte. »Ich sag dir dann Bescheid.« Das hier war total unwirklich. Es gab Menschen, die Emotionen riechen und Gedanken hören konnten. Was kam als Nächstes? Aria legte die Hände vor den Mund und blies hinein, um sich zu wärmen. »Wie kannst du mit ihm befreundet sein, wo du doch weißt, dass er … alles weiß?«
    Roar lachte. »Bitte sag das nie in seiner Gegenwart. Er ist auch so schon viel zu sehr von sich überzeugt.« Er setzte die Flasche an und trank. »Perry und ich sind zusammen aufgewachsen, gemeinsam mit seiner Schwester. Wenn man jemanden so gut kennt, ist das fast so, als wäre man selbst ein Witterer.«
    Vermutlich hatte er recht. Sie hatte manchmal auf Paisleys Stimmungen sofort reagiert. Auch auf Calebs. »Aber es fühlt sich … ungerecht an. Er redet nie, bekommt aber mit, was andere Menschen empfinden?«
    »Perry ist eher still, weil er Stimmungen riecht. Er traut Worten nicht. Von ihm weiß ich, wie oft die Leute lügen. Warum sollte er sich die Mühe machen, falschen Worten zu lauschen, wenn er beim Atmen die Wahrheit erfährt?«
    »Weil Menschen mehr als nur Emotionen sind. Menschen haben Gedanken und Gründe, etwas zu tun.«
    »Ja, klar. Wenn man nicht weiß, wie jemand empfindet, ist es schwer, seiner Logik zu folgen. Außerdem hast du unrecht: Perry redet sehr wohl. Beobachte ihn mal. Du wirst feststellen, dass er viel sagt.«
    Das wusste sie. Tagelang hatte sie seine Handlungen in Worte übersetzt. Hatte bemerkt, wie er auf ein Dutzend verschiedene Arten und Weisen lief. Absolut leise. Mit kaum verhüllter Aggression. Mit leichter, tierhafter Anmut.
    »Und was ist mit seiner Schwester?«, fragte sie.
    »Olivia«, erwiderte Roar. »Liv«, fügte er dann leiser hinzu.
    »Ist sie auch eine Witterin?« Aria gefiel nicht einmal das Wort. Es hörte sich an wie eine verhunzte Form von Wetterin , gedacht für jemanden, der gewohnheitsmäßig wettete.
    »Ihr Geruchssinn ist so ausgeprägt wie Perrys, wenn nicht sogar noch

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