Gebannt - Unter Fremdem Himmel
hatte, auf einen Stock und forderte Aria und Roar auf, schon einmal vorzulaufen – er käme bald nach.
Perry fand Cinder zusammengerollt an einer Baumwurzel. Licht und Schatten huschten über sein schmutziges Gesicht, während er sich unruhig im Schlaf wälzte. Ohne seine sonst übliche höhnische Miene wirkte er kleiner, zerbrechlicher. Im nächsten Moment loderte das Brennen in Perrys Nase auf, und er zwickte sich in den Nasenrücken. »Cinder«, rief er den Jungen leise.
Verwirrt schoss Cinder in die Höhe und rieb sich blinzelnd die Augen. Als er Perry schließlich erblickte, zuckte ein panischer Schrecken über sein Gesicht. »Lass mich in Ruhe, Witterer.«
»Sachte, Junge«, erwiderte Perry besänftigend, »ist schon gut.« Er hielt ihm den Stock mit dem Fleisch entgegen. Cinder starrte darauf und schluckte dabei so heftig, dass sein Adamsapfel hüpfte. Da er den Stock jedoch nicht annahm, steckte Perry ihn schließlich in den Boden. Dann trat er ein paar Schritte zurück. »Ist für dich.«
Sofort schnappte Cinder sich den Stock, grub die Zähne in das Fleisch und riss gierig daran. Die Verzweiflung im Gesicht des Jungen schnürte Perry die Kehle zu. Dies hier war nichts im Vergleich zu dem raschen Mahl, das Aria, Roar und er gerade heruntergeschlungen hatten – das hier war wütender Hunger, grimmig wie jeder Überlebenskampf. Perry erinnerte sich daran, wie Cinder am Abend zuvor ungehobelt auf dem Brot herumgekaut hatte. Nun begriff er, dass der Junge seine tiefe Not nur versteckt hatte.
Es wurde Zeit, dass er Cinder sagte, was er zu sagen hatte, und dann aufbrach. Er wollte den Jungen nicht in seinen Ärger mit den Krähern hineinziehen. Rasch warf er einen Blick nach Osten, in Richtung von Marrons Lager. Roar und Aria konnten noch nicht allzu weit weg sein. Ein paar Minuten blieben ihm noch. Perry ließ den Bogen von der Schulter gleiten und setzte sich.
Cinders schwarze Augen schossen kurz zu seinem Gesicht hoch, doch dann widmete er sich erneut begierig seiner Fleischportion.
Schweigend nahm Perry einige Pfeile aus seinem Köcher und überprüfte deren Befiederung, während er wartete. Er hatte sich gefragt, warum Roar Cinder geholfen hatte. Nun aber, da er den Jungen auf diese Weise sah, verstand er es. Würden auch die Tiden so enden, wenn die zweite Lieferung von Sable ausblieb?
»Warum ist dieses Mädchen bei euch?«
Überrascht schaute Perry auf.
Cinder kaute noch immer, doch der Stock war sauber – nicht ein einziges Stückchen Fleisch hing noch daran. Der Junge hatte die Stirn gerunzelt und zog eine finstere Miene.
Perry zuckte die Achseln und erlaubte sich ein selbstgefälliges Lächeln. »Liegt das denn nicht auf der Hand?«, erwiderte er, doch als er sah, wie der Junge ihn mit großen Augen anstarrte, fügte er hinzu: »War nur ein Scherz, Cinder. Das liegt es ganz und gar nicht. Wir helfen einander nur aus der Klemme.«
Cinder wischte sich mit einem schmuddeligen Ärmel über das Gesicht. »Aber hübsch ist sie schon.«
Perry grinste. »Echt? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
»Ja klar.« Cinder grinste wissend. Dann schob er sich das Haar aus dem Gesicht, doch es fiel ihm gleich wieder über die Augen. Es war heillos verfilzt. Genau wie sein eigenes Haar, erkannte Perry.
»Was denn für eine Klemme?«, hakte Cinder nach.
Perry seufzte. Er hatte weder Zeit noch Lust, die ganze Geschichte noch einmal zu erzählen. Allerdings konnte er gleich zu dem Teil springen, der jetzt wichtig war: Er beugte sich vor und stützte die Arme auf die Knie. »Hast du schon mal vom Stamm der Kräher gehört?«
»Die Kannibalen? Ja, von denen habe ich gehört.«
»Vor ein paar Tagen bin ich in einen Kampf mit ihnen geraten. Ich hatte Aria zurückgelassen, um zu jagen. Als ich zurückkam, hatten sie sie aufgespürt. Sie waren zu dritt und hatten das Mädchen in die Enge getrieben.« Perry fuhr mit der Hand über den Schaft des Pfeils und drückte einen Finger gegen die scharfe Spitze. Auch diese Geschichte ließ sich nicht leicht erzählen. Aber er bemerkte, dass Cinder ihm nun aufmerksam zuhörte. Die höhnische Maske, die er sonst immer auf dem Gesicht trug, hatte er abgelegt – jetzt war er nur noch ein Junge, fasziniert von einer spannenden Geschichte. Also fuhr Perry fort.
»Die Krähenmänner waren blutrünstig. Ich konnte ihre Gier nach dem Mädchen fast körperlich spüren. Vielleicht, weil sie eine Siedlerin ist … weil sie anders ist … Ich weiß es nicht. Na,
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