Gebannt - Unter Fremdem Himmel
Aria auf dem Bettrand. Sie hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt. Nur die kleine Lampe auf dem Nachttisch brannte. Das Licht fiel als helles, makelloses Dreieck auf ihre verschränkten Arme. Der Raum war erfüllt von ihrem Duft. Veilchen zu Beginn des Frühjahrs. Die erste Blüte. In diesem Geruch hätte er sich verlieren können, wäre da nicht die feuchte Kälte ihrer Stimmung gewesen.
Perry schloss die Tür hinter sich. Dieses Zimmer war kleiner als das, das er sich mit Roar teilte. Außer dem Bett entdeckte er keine andere Sitzgelegenheit. Nicht dass ihm nach Sitzen zumute gewesen wäre. Aber an der Tür herumstehen wollte er auch nicht.
Sie schaute zu ihm herüber. Ihre Augen waren vom Weinen geschwollen. »Hat Marron dich wieder hergeschickt?«
»Marron? Nein … hat er nicht.« Er hätte nicht kommen sollen. Warum hatte er die Tür geschlossen, so als wolle er bleiben? Es würde merkwürdig aussehen, wenn er jetzt sofort wieder ging.
Aria wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »In jener Nacht in Reverie … Ich war in Ag 6 und versuchte herauszufinden, ob es ihr gut geht. Die Verbindung mit Bliss war abgebrochen, und ich hatte mir solche Sorgen gemacht. Als ich dann die Nachricht von ihr sah, dachte ich, es ginge ihr gut.«
Perry starrte auf den freien Platz neben ihr. Bis dorthin waren es nur vier Schritte. Vier Schritte, die ihm wie eine Meile erschienen. Er zögerte noch einen Moment, und dann überwand er sie auf eine Art und Weise, als würde er sich von einer Klippe stürzen. Als er sich setzte, schaukelte das ganze Bett. Was war nur mit ihm los?
Er räusperte sich. »Es sind nur Gerüchte, Aria. Die Horcher bringen oft irgendwelche Sachen in Umlauf.«
»Es könnte wahr sein.«
»Es könnte aber auch falsch sein. Vielleicht wurde nur ein Teil von Bliss zerstört. Wie diese Kuppel an jenem Abend. Sie war nur an der Stelle zusammengebrochen, wo ich hereingekommen bin.«
Gedankenverloren wandte Aria sich dem Gemälde an der Wand zu. »Du hast recht. Die Biosphären sind so angelegt, dass sie möglichst nur in Teilen einstürzen und der Schaden dadurch begrenzt wird.« Sie schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Ich will es einfach nur wissen. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie tot ist … Aber was wäre, wenn doch? Was, wenn ich hier und jetzt um sie trauern müsste? Was, wenn ich trauere, sie aber gar nicht tot ist? Ich habe eine solche Angst davor, mich zu irren. Und ich finde es so furchtbar, dass ich nichts daran ändern kann.«
Perry beugte sich weit vor und zupfte an seinem Gipsverband.
»So muss es dir mit Talon auch gehen, stimmt’s?«
Er nickte. »Ja«, sagte er. »Ganz genauso.« Er hatte die Angst geleugnet, jeder seiner Schritte könnte vielleicht umsonst sein. Die Angst, dass Talon tot sein könnte. Diesen Gedanken hatte er sich nicht gestattet. Was wäre, wenn Talon seinetwegen gestorben war? Wo war Talon? Perry wusste, dass Aria ihn verstand. Diese junge Siedlerin wusste, welche Qual es bedeutete, jemanden zu lieben, den man verloren hatte. Vielleicht für immer. Er räusperte sich und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Marron meint, er werde morgen die Dateien öffnen und die Verbindung wiederherstellen.«
»Morgen«, wiederholte sie.
Das Wort schwebte in der Stille des Raumes. Perry holte langsam Luft, während er seinen ganzen Mut sammelte, um ihr das zu sagen, was er ihr schon vor Tagen hatte sagen wollen. Wenn das Smarteye repariert war, konnte sich alles verändern. Dies war möglicherweise seine letzte Chance, es ihr zu sagen. »Aria … jeder erfährt Verlust und Trauer in seinem Leben. Der entscheidende Unterschied besteht darin, wie jemand damit umgeht. In den letzten Tagen bist du trotz deiner Füße immer weitergelaufen. Obwohl du deinen Weg nicht kanntest … Trotz mir.«
»War das jetzt ein Kompliment oder eine Entschuldigung?«
Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Beides. Ich hätte netter zu dir sein sollen.«
»Du hättest zumindest ein wenig mehr reden können.«
Perry lächelte. »Da bin ich mir nicht so sicher.«
Aria lachte, doch dann wurde ihre Miene wieder ernst. »Auch ich hätte netter sein sollen«, räumte sie ein, rutschte ein Stück hoch und lehnte sich gegen das Kopfbrett. Dabei fielen ihre dunklen Haare bis auf die Schultern und rahmten ihr schmales Gesicht ein. Ein kleines Lächeln umspielte ihre rosafarbenen Lippen. »Ich verzeihe dir, aber nur unter zwei Bedingungen.«
Perry lehnte sich auf seinen gesunden Arm
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