Gebieter der Träume
dass sie sich in einen gewöhnlichen Sterblichen verliebt hatte.«
»Das ist aber nur eine Version der Geschichte. In einer anderen bringt Artemis ihn um, weil er eine ihrer Dienerinnen vergewaltigt hat.«
»Diese Version kenne ich auch, aber ich glaube an die erste.«
»Und warum?«
Geary hatte ihr ganzes Leben damit zugebracht, die Götter und die antiken Kulturen zu studieren und nach Beweisen dafür zu suchen, dass sie existiert hatten. Und hier stand er neben ihr, als lebender Beweis für ihre Thesen. Er fragte sich, was sie tun würde, wenn sie je erfahren würde, dass er einer dieser Götter war, genau wie ihre Freundin »Kat«. Es war wohl ein bisschen viel verlangt, dass sie damit sofort klarkommen würde.
Geary war ein bisschen nervös, als sie die Hängematte an den Haken befestigt hatte. Sie hing etwa dreißig Zentimeter über dem Boden. Nicht zu hoch, aber auch nicht zu tief, sondern genau richtig, damit es gemütlich war. Ihre einzigen Bedenken bestanden darin, dass Arik sich trotz der Decken erkälten könnte.
Würde das seinen Zustand verschlimmern? Nicht dass sie genau gewusst hätte, was mit ihm nicht stimmte, aber ihm noch mehr Lebenszeit zu stehlen war wirklich das Letzte, was sie wollte.
Erneut stellte sie sich die Frage, was mit ihm los war. Sie hätte es gern gewusst, aber sie wollte ihn nicht daran erinnern, wie kurz sein Leben sein würde. Irgendwie erschien es ihr falsch.
Stattdessen wies sie auf die Hängematte. »Bereit für Sie.« Er schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, Sie würden von sich selbst reden und nicht von der Hängematte.«
»Das hätten Sie wohl gern!«
Als sie an ihm vorbeiging, zog er sie an sich, und ehe sie begriff, was er vorhatte, küsste er sie auch schon. Sie stöhnte leise bei seinem süßen Geschmack und der hungrigen Umarmung. Zum ersten Mal im Leben wünschte sie, sie hätte mehr von Thia an sich, denn dann hätte sie kein Problem damit gehabt, ihn mit in ihr Bett zu nehmen. Aber Geary war da anders. Sie war nie eine Frau für eine Nacht gewesen, sondern sie wollte eine echte Beziehung, ehe sie sich für jemanden auszog. Sie ging nur sehr selten mit Männern aus. Ihre Forschungsarbeit hatte ihr nie viel Zeit dafür gelassen.
Aber Arik brachte ihre Moralvorstellungen ins Wanken.
Sie machte sich von ihm los, nahm die Decke aus der Hängematte und drückte sie ihm an die Brust. »Gute Nacht, Arik.«
Er seufzte tief und nahm die Decke entgegen. »Gute Nacht, Megeara. Mögen die Traumgötter gut zu Ihnen sein.«
Ein Kribbeln überlief sie, als er diese Worte regelrecht schnurrte. Es war, als wüsste er, dass sie von ihm geträumt hatte.
Sie schob diesen Gedanken beiseite und ging auf die Treppe zu, aber als sie sie erreicht hatte, konnte sie nicht anders, sie musste sich umschauen. Er hatte sich schon in die Hängematte gelegt und blickte zu ihr herüber.
Seine Augen schienen in der Dunkelheit zu leuchten.
Sie schwor, seine unausgesprochene Bitte zu hören, sie möge doch zu ihm zurückkehren. Es erinnerte sie an die körperlose Stimme, die sie zu der Ausgrabungsstelle geführt hatte – nur dass diese andere Stimme ganz klar die Stimme einer Frau gewesen war. Und noch jetzt rief sie nach ihr, Geary solle Atlantis entdecken und sie befreien.
Ich verliere den Verstand. Vielleicht sollte sie sich mal mit jemandem unterhalten, der über Schizophrenie Bescheid wusste …
Aber sie wusste es besser, es war keine Schizophrenie, es war nur ihre Suche, die sie rief, damit sie ihr Versprechen erfüllte. Das hatte sie begriffen. Was sie nicht begriff, war diese merkwürdige Verbindung, die sie zu Arik hatte. Warum sie ihn hörte und sah, sogar wenn er gar nicht in der Nähe war.
Geh ins Bett, Geary, und vergiss das Ganze.
Sie winkte ihm zu und ging in ihr Zimmer, wo sie Tory schon im Nachthemd vorfand. Sie lag im Bett und hatte Mr. Cuddles unter den Arm geklemmt. Ihre Brille lag auf dem Nachttisch, also kniff sie die Augen zusammen und schaute Geary an. »Ich hab nicht erwartet, dass du zurückkommst.«
»Wie meinst du das?«
»Komm schon, Geary, ich bin zwar sehr kurzsichtig, aber der Mann ist einer der schönsten Männer, die ich je gesehen habe … mit oder ohne Brille. Wenn ich du wäre, wäre ich heute Nacht sicher nicht in mein eigenes Bett zurückgekehrt.«
Geary lachte. »Du bist erst fünfzehn, Tory, und hast wohl nicht besonders viel Erfahrung darin, einen Mann zu beurteilen.«
»Das stimmt, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass er
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