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Gebieterin der Finsternis

Titel: Gebieterin der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Nash
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schwarz vorm blutroten Himmel abzeichneten.
    Artemis wusste, wo sie war: außerhalb der ummauerten Stadt Dis, der sechsten Höllenebene. Als sie den Kopf neigte, konnte sie eben die Zinnen der Stadtmauer erkennen. Oben saßen noch mehr von den geflügelten Kreaturen aufgereiht wie Wachposten.
    Zwei von ihnen gingen in den Sinkflug. Die untere Hälfte der Monster sowie die Flügel waren rabengleich, wohingegen ihre Köpfe und Brüste nichts Vogelähnliches besaßen, sondern eher an Greisinnen erinnerten – faltige Haut, struppiges Haar und hängende Brüste. Ihr Gestank fiel wie ein Ascheregen auf Artemis herab.
    Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. Harpyen.
    Ängstlich drückte sie sich dicht an die Wand. Die Harpyen kreisten noch eine Weile tief, flogen dann aber weg. Endlich traute Artemis sich wieder zu atmen. Eine Hand an der Wand abgestützt, bewegte sie sich langsam vorwärts, der kurvigen Festungsmauer folgend. Der Durchgang zur nächsttieferen Ebene befand sich gewiss innerhalb der Mauern, also musste es hier irgendwo ein Tor geben.
    Auf dem glitschigen Felsen kam sie nur schleppend voran. Derweil regnete es weiter Funken und kreisten die Harpyen hoch über ihr, die sich anscheinend nicht für sie interessierten. Was sich sicher noch ändern würde, wie Artemis glaubte. Sie konzentrierte sich auf ihre Magie und versah sich mit dem besten Blendzauber, den sie zustande brachte – besonders überzeugend war er leider nicht. Wohl eher könnte sie froh sein, wenn sie damit einen blinden Oger austrickste. Aber mehr schaffte sie nun einmal nicht.
    Als sie schließlich einen großen Torbogen erreichte, wunderte sie sich, die großen Eisenpforten offen und unbewacht vorzufinden. Auf der anderen Seite des Tors züngelten Flammen, zwischen denen menschlichen Gestalten hin- und herflitzten. Keiner der Toten sah in Artemis’ Richtung. Offenbar konnte sie gänzlich unbemerkt in die Stadt gehen.
    Nein, unmöglich war das so einfach.
    Sie blieb dicht an der Wand, bis sie einen breiten gepflasterten Weg erreichte, der wie eine wunde rote Zunge aussah und von einem verlassenen Pier in den Schlund der Stadt führte.
    Kaum hatte sie die glänzende Oberfläche betreten, war es, als hätte sie einen Alarm ausgelöst. Die Harpyen kreischten, und eine kam im Sturzflug auf Artemis zu. Ihre spitzen Zähnekratzten Artemis’ Arm, bevor sie sich duckte und auf das Tor zurannte.
    Weit kam sie nicht. Die Vogel-Furien fielen nun in Scharen über sie her, lauthals Obszönitäten schreiend. Artemis stürzte auf den Rücken. Während sie ihren Kopf mit den Armen abschirmte, versenkten sich scharfe Zähne in ihre Haut. Ein Haarbüschel wurde ihr ausgerissen.
    Ihre Verteidigungszauber zeigten wenig Wirkung. Sie stieß einen letzten Fluch aus und rollte sich seitlich von dem Weg.
    Sofort zogen sich die Harpyen zurück. Unter dröhnendem Flügelschlagen begaben sie sich auf einen Mauervorsprung über dem Tor. Eine keckerte noch wütend in Artemis’ Richtung, ehe sie sich daranmachte, ihr schmutziges Gefieder zu putzen.
    Artemis hockte sich atemlos auf die Knie. Blut lief ihr über die Arme. Vor ihr ragte das Dis-Tor dunkel auf, dessen rostige Pfortenspitzen an verrottete Zähne gemahnten. Sie sah zu der Harpye, die mit wulstigen roten Lippen an einem Flügel zupfte. Eine einzelne schwarze Feder flatterte zu Boden, die ein heißer Windstoß direkt neben Artemis’ Knie wehte.
    Beim Anblick der Feder kam ihr eine Idee, die ihr selbst Angst machte. Wagte sie einen solch gefährlichen Zauber? Ihre Vorfahren hatten ihn beherrscht, sie hatte ihn allerdings noch nie ausprobiert. Er war schwierig und konnte selbst unter den günstigsten Umständen tödlich sein.
    Hier in der Hölle blieb ihr sehr wenig, um sich zu schützen: kein heiliges Anthame, kein reinigendes Salz. Der Boden unter ihren Knien war ölig. Über dem Tor lauerten die Harpyen. Sie könnte sich nie an denen vorbeikämpfen.
    Unsicher hob sie die Feder auf. Eine der Harpyen streckte sich und schlug mit den Flügeln, dass ihre Hängebrüste schlackerten.Im ersten Moment dachte Artemis, sie würde abheben. Doch sie legte die Flügel wieder an und pickte an etwas neben ihren Füßen.
    Wenigstens brauchte Artemis sich nicht mehr zu schneiden, denn der Harpyen-Angriff hatte genügend Blut hervorgebracht. Fehlte noch Feuer. Sie riss einen Stoffstreifen vom Saum ihres T-Shirts ab, fing damit einen der Funken auf und erzeugte eine kleine Flamme. Die legte sie auf den öligen Boden,

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