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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Natur, in jeder Gesellschaftsform: die Spitze erklimmen. Egal, wie man es nennt, es sind immer Nahrungsketten. Oder eigentlich Nahrungspyramiden, denn je weiter man nach oben kommt, desto enger wird es, die Spitze sind immer wenige, und die Basis wird immer gefressen.«
    Lisa öffnete den Mund, aber sie wusste nicht, wie sie widersprechen sollte, wie sie sich Sandy auch nur verständlich machen sollte.
    »Wie gesagt, du wirst es bald verstehen.« Sandy lächelte das kalte Lächeln aller Vampire, ein übrig gebliebener menschlicher Reflex ohne jede Freundlichkeit und Wärme.
    Lisa konnte nicht mehr viel von der Sandy erkennen, die sie kennengelernt hatte, die ihre Freundin gewesen war.
    »Es tut auch nicht weh, wenn er dich beißt. Nur kurz, einen Moment lang, aber das ist ...« Sandy beugte sich vor, atmete schwer und sah sie mit fiebrigen Augen an. »... das ist geil. Geiler als jeder Orgasmus. Kein Mann hat mich je genommen wie er mein Blut.«
    Lisa wurde übel. Wenn es nicht so schrecklich real wäre, hätte sie lachen müssen, kichern über diese Hingabe, mit der Sandy den Verlust ihres Bluts und ihres klaren Verstandes bejubelte. Das musste es sein, dieser Er machte einen nicht nur zu einem Vampir, sondern auch zu einem Irrsinnigen. Aber sie wollte nicht ihren Verstand verlieren, nicht ihre freie Entscheidung darüber, ob sie Fleisch aß oder Tofu, ob sie Wein trank oder Blut.
    Geiler als jeder Orgasmus. Lisa musste an Alex und diese Schönheit denken, mit der er es vor ihren Augen getrieben hatte. Geiler als dieser Orgasmus konnte es nicht sein. Tränen liefen ihr die Wangen herunter, ihre Wut war wieder da. Doch bei all den Bildern in der Halle hier, bei dem Gedanken daran, Alex das Blut auszusaugen, wurde die Vorstellung von Rache schal.
    »Hey, nicht weinen. Es ist wirklich nicht schlimm. Es brennt und sticht, aber dann löst sich alles auf zu einem Gefühl von Stärke und Macht.« Sandy strich ihr über den Arm. »Vampire sind stark, wir weinen nicht.«
    Lisa riss sich zusammen. Nicht weil sie als angehender Vampir keine Schwäche zeigen wollte, sondern weil sie den versammelten Idioten zeigen wollte, dass auch Menschen zu Stärke in der Lage waren. Dabei mussten sie es doch alle noch wissen, sie waren schließlich selbst alle mal Mensch gewesen.
    »So ist es gut«, sagte Sandy. »Dann wisch’ dir mal die Tränen ab, wir können so langsam.«

32
    Als sie sie aus der Wand gehebelt hatten, war die Betonplatte in drei größere Teile und ein paar Brösel zerbrochen. Nun lag das Geröll zu ihren Füßen, und sie hatten auf zwei Metern Länge bloße Erde freigelegt. Ein paar Brocken waren in den Tunnel gefallen, doch das meiste wurde von Wurzelwerk gehalten.
    Irgendwo dort drin musste sein Herz schlagen.
    Danielle schmiegte sich an die Erde, schob ihre Finger tief hinein, lauschte mit geschlossenen Augen und leicht geöffnetem Mund. Alex starrte ihren runden Hintern in dem engen schwarzen Lederrock an, wollte ihn berühren, aber er durfte sie jetzt nicht aus der Konzentration reißen. Erde rieselte ihr auf die Lippen, und sie versuchte sie beiläufig mit der Zunge fortzustoßen. Die Adern an ihrem Hals pochten, und Alex wollte sie dort küssen. Er wollte sie mit aller Hingabe nehmen.
    Rasch drehte er sich weg. Er durfte jetzt nicht an so etwas denken. Trotzdem dachte er daran, dass, sollten sie hier sterben, Danielle ihren letzten Fick nach viereinhalbtausend Jahren ausschweifendem Leben mit einem leicht übergewichtigen Beamten in einem JVA-Büro gehabt hätte. Irgendwie nicht sehr romantisch und passend für die größte Verführerin der Welt, die wirklich jeden haben konnte.
    Und er selbst hatte mit einem wichsenden Zivi zugehört - auch alles andere als ein beeindruckender Abschluss. So blieb niemand gern der Nachwelt in Erinnerung. Sofern sich die Nachwelt überhaupt um einen kümmerte und nicht in Trümmern lag.
    Denk nicht einmal daran zu sterben, wies er sich selbst zurecht. Wenn tatsächlich keine Vampire auftauchten, hatten sie eine Chance. Zumindest die Chance, bis zum Blutvater vorzudringen, sich ihm zu stellen, ohne zuvor ausgesaugt zu werden.
    »Ich kann so wenig spüren«, murmelte Danielle und öffnete die Augen. »Ich fühle seine Präsenz, doch sein Herzschlag müsste lauter sein.«
    »Und was heißt das?« Alex wandte sich wieder ihr zu. Auf ihrer linken Wange klebte Erde, auch an den Fingern und unter den Nägeln.
    »Ich weiß nicht, ob wir hier richtig sind.« Sie klopfte sich die Hände

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