Gebissen
ab.
»Wir haben keine Alternative und keine Zeit. Es muss einfach hier sein«, beharrte Alex. »Du hast doch gesagt, du spürst ihn.«
»Ja, aber ...«
»Dann locken wir ihn jetzt mit Blut heraus. Dann sehen wir ja, ob wir richtig sind.«
»Aber damit geben wir uns zu erkennen.« Danielle sah ihn an, und er bemerkte die Angst in ihrem Blick. Sie biss sich auf die Unterlippe.
»Du bist wunderschön.« Er ging einen Schritt auf sie zu.
»Denk nicht mal dran!«
»Das Denken kann ich nicht verhindern.« Er starrte sie an, sah die Sehnsucht in ihren Augen und hämmerte mit der Faust gegen die graue Wand. Er wollte endlich aufhören, diese Frau so zu begehren, dass alles andere aus seinem Hirn verschwand, er wollte nicht von seinem Verlangen beherrscht werden. Es gab so viel Wichtigeres im Moment!
»Du musst das Denken verhindern«, verlangte sie.
»Ja! Ich weiß! Ich tu doch mein Bestes!« Keuchend sah er sie an und schlug noch einmal gegen den Beton. »Aber es ist doch völlig egal, ob wir uns zu erkennen geben. Er weiß von dir, und er weiß von mir. Seine Alpträume attackieren mich, wenn ich nur kurz die Augen schließe, einer hätte uns fast überfahren. Es wird Zeit, dass wir zurückschlagen. Und wenn wir hier nur seine kleine Zehe anzünden, dann zünden wir eben seine Zehe an. Hauptsache, es tut dem Bastard weh!«
Ein Lächeln huschte über Danielles Lippen. »Das hier ist mehr als der kleine Zeh.«
»Na umso besser. Worauf warten wir dann noch?«
Er nahm eines der vier Rohre in die Rechte, weit vorn an der Bruchstelle, wo die Kante scharf war und nicht geschliffen, und schnitt damit über die Außenseite seines linken Unterarms. Ein vielleicht daumenlanger Riss öffnete sich, den leichten Schmerz blinzelte er mit einem Lächeln weg.
Blut quoll aus der Wunde, dickes rotes Blut, und er verspürte große Lust, es abzulecken. Er tat es nicht, hielt den Arm möglichst so, dass das Blut in Richtung Hand floss und nicht sofort auf den Boden tropfte.
Danielle tunkte ihren Finger hinein, führte den Tropfen Blut an ihre Nase und nickte. Was mochte sie gerochen haben? »Schmier es in die Erde.«
Anstatt es einfach nur an die offene Wand zu schmieren, schob Alex seinen Arm bis weit über den Ellbogen hinein. Kühl und feucht legte sich die Erde auf seine Haut. Das leichte Zittern, das er mit den Fingerspitzen schon im Beton gespürt hatte, schien sich auch dahinter fortzusetzen. Nein, es schien von dort aus der Tiefe zu stammen. Jeder Quadratzentimeter Haut, der in der Erde steckte, kribbelte. Etwas glitt über seinen Handrücken wie ein Regenwurm. Die Wunde brannte. Er hatte das Gefühl, dass sie von dem ganzen Dreck nicht verklebt, sondern dass der Blutfluss angeregt wurde, als hätte er sie unter warmes Wasser gehalten.
So hatten sich die alten Römer umgebracht, hatte er mal als Kind gelesen, in irgendeinem Roman, Quo vadis vielleicht. Wenn sie sich nicht ins Schwert gestürzt hatten, dann hatten sie sich im Kreis der Freunde in einer Badewanne die Pulsadern aufgeschnitten, hatten das Blut langsam in die Wanne fließen lassen, hatten gelacht, geredet und philosophiert, bis alles Leben aus ihnen entwichen war. Alex lachte nicht und philosophierte nicht, er redete nicht einmal.
Was dachte er hier für einen Stuss? Jetzt war weder die Zeit zum Philosophieren noch zum Lachen, er brachte sich ja auch nicht um.
Das Blut sickerte weiter in die Erde.
»Spürst du was?«, fragte Danielle. Sie stand neben ihm und hatte eines der roten Rohre in der Hand. Jenes, an dessen Bruchstelle noch ein paar Tropfen von Alex Blut klebten. Die anderen Rohre lehnten griffbereit an der ersten Betonplatte neben der aufgerissenen Wandpassage.
»Es kribbelt. Und blutet.«
»Gut. Er soll das Blut riechen. Wie ein Hai von ihm angelockt werden.«
Wie ein Hai? Einem Hai streckte man aber nicht den Arm entgegen.
Danielle lächelte ihn an, sie hatte seine Gedanken erraten. »Nein, ein Blutvater beißt dir nicht mal eben den Arm ab, er ...«
»Halt. Da ist was.« Alex starrte auf die schwarze Erde direkt vor seiner Nase, auf kleine Wurzelenden, kaum dicker als ein Faden, auf eine Handvoll schmutziger, rundgewaschener Kiesel, die im Boden steckten. Bis fast zur Schulter steckte sein Arm dort drin, und er konnte nicht sehen, was mit diesem geschah, da beruhigten ihn Danielles Worte kaum. Trotzdem musste es sein, er war der Köder.
Er spürte, dass das Kribbeln stärker wurde, dass das Blut weiterfloss, ja fast aus ihm herausgesaugt
Weitere Kostenlose Bücher