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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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hatte ein Vampir einen solchen Gedanken geäußert. Weder hatte es sie nach unserem Blut verlangt, noch hatte sich je ein Blutvater erhoben und seine Heimaterde verlassen, den kühlen schwarzen Schoß, in dem er gewachsen war. Wir wussten nicht, woher dieser irrsinnige Gedanke kam, doch er war da, hallte noch immer in der Stille nach.
    Wer von euch beiden möchte also?, fragte er mit einem kalten Lächeln. Oder sollen wir würfeln?
    Durch ein kurzes Nicken verständigte ich mich mit Aineas, und wir stürzten unvermittelt zum hinteren Fenster, hechteten hinaus und versuchten uns durch die dicht gedrängte Menge einen Fluchtweg zu bahnen.
    Doch vergeblich, zu viele Hände griffen nach uns, zu viele Arme umschlangen unsere Körper. Wir schlugen um uns, doch es hatte keinen Zweck, die Übermacht war zu groß. Mindestens zwei Dutzend Vampire hatten sich um Lots Haus versammelt, dazu kamen hundert alptraumwandelnde Menschen. Gemeinsam rangen sie uns nieder, traten, schlugen, würgten uns, doch sie bissen nicht zu. Noch nie hatte ein Vampir einen Nephilim gebissen, und auch jetzt hatten sie Scheu, trotz des Auftrags ihres Vaters.
    Hilflos lag ich auf der Straße, die Arme um den Körper geklammert, schluchzend und von Schmerz überzogen. Aineas lag nur wenige Schritte von mir entfernt. Ein halbes Dutzend Vampire hob ihn hoch. Nehmt ihn! Er ist größer und enthält mehr Blut, befahl der, der von Anfang an gesprochen hatte, und sie schleppten ihn johlend davon.
    Die Menschen folgten ihnen wie seelenlose Puppen, auf den Lippen Schreie nach Blut und die Forderung, Sodom müsse sich erheben, geboren werden aus fremdem Blut. Blind brüllten sie nach einem Vater, der sich von ihrem Blut und ihren Tränen nährte. Mich ließen sie einfach im Staub liegen, blutend und unfähig, mich zu erheben. Der Blutdurst beherrschte sie derart, dass sie vergaßen, mich zu schänden.
    Ich spürte die Erde unter mir zittern, doch es war kein Beben, sondern die erregte Vorfreude einer gigantischen Kreatur, die seit langer Zeit in der Tiefe dämmerte. Ich konnte ihren ungeheuren Durst nach Blut spüren, ihren Willen, sich zu erheben, was noch kein Blutvater und keine Blutmutter getan hatte. Er träumte davon, auf einem gigantischen Thron aus Heimaterde zu sitzen, gemauert aus roten Lehmziegeln und Steinen aus der Tiefe, und sich das Blut fässerweise herbeischaffen zu lassen. Nicht nur das zu trinken, was in der Erde versickerte. Sodom sollte mit einer Armee von marschierenden Vampiren die Erde mit Krieg überziehen und Sklaven um Sklaven herbeischaffen, die er trinken konnte. Als Blutvater war er an seine Heimaterde gebunden, doch er wollte die ganze Welt erobern, auf dass er die ganze Welt sein Heimatland nennen könnte, um überall hinzugehen und Blut zu saufen. Ich versank immer tiefer in seinen Alpträumen, wurde von ihnen überschwemmt, bis ein dürrer, gescheckter Straßenköter herbeigetapert kam und mir das Gesicht ableckte, wieder und wieder.
    So erwachte ich aus den Träumen, rappelte mich auf und torkelte aus der Stadt. Wir Nephilim sind Einzelgänger und bitten niemanden um Hilfe, doch jetzt eilte ich umher, reiste mit den Winden und rief alle Nephilim zusammen, die ich innerhalb dreier Tage auftreiben konnte.
    In der Nacht huschten wir über Sodoms Dächer zum Tempel im Zentrum, in dem die Vampire Aineas in einer Grube geopfert hatten. Was wir für Wahnsinn gehalten hatten, hatte funktioniert; der Blutvater erhob sich aus der Erde. Ohne zu zögern, griffen wir ihn mit Feuer an, warfen brennende Fackeln und mit Öl gefüllte Tonkrüge nach ihm. In unserem Eifer setzten wir die ganze Stadt in Brand.
    Der Blutvater brüllte und schlug um sich, so dass die Erde bebte, es kam zu Erdrutschen, und die Feuer wurden von seinem Atem weiter entfacht, ein Gigant, der in die Glut eines riesigen Feuers blies. Es tat uns leid um die Menschen, die in den Flammen starben, doch die meisten waren so von seinen Alpträumen besessen, dass sie nicht zu fliehen versuchten, sondern gemeinsam mit den verzweifelten Vampiren danach lechzten, uns zu fassen und zu töten. Elf Nephilim starben in dieser Nacht, und alle Vampire und Menschen in Sodom. Letztlich war nur Lot mit seinen Töchtern entkommen.
    Vampire hungern nach dem Blut der Menschen, wir nach ihrer Leidenschaft, ihrer Hingabe beim Geschlechtsverkehr, wir waren keine Feinde gewesen. Doch seit jener Nacht hält sich unter den Vampiren der Glaube, dass man Nephilimblut braucht, um einen Blutvater oder

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