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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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ließ, würde ein Auto darüber fahren, das musste nicht sein. Also knotete er die Schürsenkel zusammen, stopfte den Socken in den rechten Schuh und hängte beide an den Zaun der verlassenen Fabrik, zwei Meter neben dem Tor. Wenn die Besitzerin morgen ihren nächtlichen Weg ablaufen würde, würde sie die Schuhe sehen.
    Robsie ging zwei Schritte zurück und begutachtete alles noch mal. Ja, sie waren gut zu erkennen. Zufrieden mit sich wandte er sich zum Gehen.
    »Komm, Kahlschlag.«
    Anne würde er nichts davon erzählen, sie würde sich nur grundlos aufregen und nun gar nicht mehr hier vorbeiwollen. Und das wäre wirklich übertrieben. So unheimlich ein verlassenes Fabrikgelände auch sein konnte, es tat niemandem etwas.

27
    Kaum hatte Danielle Alex die Tür geöffnet, fiel er ohne ein Wort der Begrüßung über sie her. Er wollte es nicht, er wollte Lisa retten, doch er konnte nicht anders, er war seiner Gier vollkommen ausgeliefert.
    »Nein, keine Zeit«, keuchte Danielle, während sie ihn dennoch umklammerte, ihn begierig küsste und mit ungeduldigen Fingern an seinem Gürtel zerrte. Sie trieben es schnell und wild, im Flur gegen die Wand gepresst, aber diesmal gingen wenigstens keine Möbel zu Bruch.
    »Hast du was rausgefunden?«, fragte Alex danach. Noch immer keuchend knöpfte er sich die Hose zu und setzte sich an den Küchentisch, um was zu trinken.
    »Nein«, antwortete Danielle und ging auf die Toilette. Sie ließ die Tür offen. »Es gibt viel zu viele Wege ins unterirdische Berlin, zu viele Kellerräume, zu viele verlassene Bunker und U-Bahntunnel, ganz zu schweigen von der verzweigten Kanalisation. Wir brauchen Tage oder Wochen, wenn wir auf gut Glück suchen.«
    Alex hörte nicht richtig zu. So viel Zeit hatte Lisa nicht mehr, keine Tage, und schon gar keine Wochen. Vielleicht hatte sie nicht einmal mehr Stunden. Erschöpft stützte er den Kopf in die Hände und dämmerte weg.
    Kaum hatte er die Augen geschlossen, träumte er von Rom, dem historischen Rom. Eine bunte, prachtvolle Stadt im heißen Sommer, lebendiges Gewühl auf den abendlichen Straßen, preisende Händler, Handwerker auf dem Weg in die Taverne, Sklaven auf dem Botengang, verhangene Sänften und eilige Kutschen.
    Über allem thronte der kaiserliche Palast, und in ihm wurde Nero von einer wunderschönen Frau verführt, umgarnt, geküsst und berührt. Danielle. Sie flüsterte mit vollen Lippen in das Ohr des Herrschers, er müsse die Blutmutter töten, und dafür müsse er sie verbrennen. Nur die verzehrende Flamme könne der Blutmutter ein Ende bereiten.
    Aber wo ist diese Blutmutter denn?, fragte Nero, halb wahnsinnig vor Verlangen.
    Ich kann dir das Viertel nennen, aber mehr weiß ich nicht, hauchte Danielle und bestieg den Kaiser. Aber es bliebe nicht viel Zeit. Die Blutmutter sei Rom, sie sei das Wurzelgeflecht unter der Stadt, eins mit der Heimaterde.
    Dann will ich auf Nummer sicher gehen, stöhnte Nero, rief kopulierend seinen Leibsklaven herein und befahl ihm, das ganze genannte Viertel niederzubrennen. Die Holzbuden am Circus Maximus wären ein wundervoller Brandherd. Und Danielle lächelte ein irres, intrigantes Lächeln, ihre Augen glommen vor Zerstörungslust.
    Während Nero und Danielle es weiter trieben, ging vor dem Fenster die Sommersonne unter. Glühend roter Schein loderte zwischen den Straßen auf, Schreie wurden laut und Flüche, Menschen flohen, brannten, trampelten sich in Panik nieder und ...
    »Alex!« Danielle rüttelte ihn am Arm. »Hey! Alex!«
    Er schreckte hoch. »Was ist? Was?«
    »Was tust du da?«
    »Ich bin kurz eingenickt.«
    »Eingenickt? Jetzt? Wie kannst du jetzt schlafen?«
    »Ich weiß nicht, ist mir vorhin schon mal passiert.« Alex erzählte ihr, wie er auf der Flucht von plötzlicher Müdigkeit und einem Alptraum gepackt worden war, wie er unvermittelt gestolpert war und seine Augen nicht mehr hatte öffnen können, wie die Wände auf ihn eingestürzt waren. Von dem neuen Traum erzählte er nichts, darüber wollte er erst nachdenken.
    Was, wenn es zwar Vampire gab, und seinetwegen auch Nephilim, aber keine Blutväter, und Danielle einfach wahnsinnig war? Eine Pyromanin, die mit größtem Vergnügen andere zur Mittäterschaft anstiftete, einfach weil sie sehen wollte, wozu sie die ihr verfallenen Männer treiben konnte? Wenn sie Sodom grundlos niedergebrannt hätte, wie auch Rom, und nun ihn dazu bringen wollte, Berlin abzufackeln? Das klang ziemlich schräg, aber er wusste noch immer nicht,

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