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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Dank.«
    Alex konnte nicht lachen, Traumbilder vom brennenden Rom spukten durch seinen Kopf, brennende Menschen, verkohlte Leichen, unkenntlich, und doch wusste er genau, welcher seiner Freunde sich hinter den reglosen, schwarzen Stümpfen verbarg.
    »Und wenn du auch gehst?«, fragte Alex. »Wenn du sofort verschwindest, so dass kein einziger Nephilim mehr in Berlin ist? Dann gibt es kein Nephilimblut, und er kann überhaupt nicht erwachen.«
    »Wir sind Einzelgänger«, erinnerte ihn Danielle. »Es ist nicht so, dass ich von allen eine Handynummer gespeichert habe oder dass wir irgendwo ein schwarzes Brett mit Aushängen haben. Ich weiß nicht, ob sich gerade nicht doch noch ein Nephilim in Berlin aufhält, oder ob nicht einer vorhat, nächste Woche herzukommen. Es ist ’ne tolle Stadt zum Vögeln.«
    »Verdammte Vögelei«, brummte Alex und rührte in seiner Tasse herum. Auch wenn er sonst nie Milch nahm, jetzt schon; das kühlte den Kaffee schneller ab, und je früher er das Koffein intus hatte, umso besser. Und viel Zucker, Zucker gab Energie.
    »Wenn seine Vampire schon auf der Suche nach einem Nephilim sind, gibt es kein Zurück mehr. Zur Not suchen sie auch in anderen Städten, fahren mal schnell nach Hamburg, Warschau oder Prag, ist ja alles nicht weit. Irgendwann finden sie einen«, ergänzte Danielle. »Nein, wir müssen ihn jetzt stoppen, und zwar schnell. Schon jetzt treiben seine Träume jede Nacht jemanden in den Tod, der Blutdurst seiner Vampire wächst, und das wird nicht weniger werden.«
    »Kann man denn nicht anhand der Verbrechen herausfinden, wo sein Herz ist? Da, wo das meiste Blut in der Erde versickert?«
    Danielle verneinte. Der Blutvater war nicht für alle Verbrechen verantwortlich, viele geschahen ohne sein planendes Eingreifen, er ernährte sich nur von ihnen und bereitete weiteren den Boden. Wenn jemand durch ihn von Wut oder Rachefantasien übermannt wurde, dann tötete er sein Opfer da, wo es sich gerade aufhielt. Sicherlich konnte es Fälle geben, in denen der Blutvater regelrecht gefüttert wurde, doch wie sollten sie diese Taten voneinander unterscheiden können?
    Alex nippte vorsichtig an der Tasse, verbrannte sich die Lippen, pustete und trank noch einen Schluck. Er spürte das Koffein durch seinen Körper kribbeln, aber das Gefühl verebbte rasch wieder. Er nahm einen weiteren Schluck, und dann noch einen. Danielle erklärte ihm, dass sie auch in der Berliner Historie nichts gefunden hatte.
    »Manchmal wurde in den Anfangstagen einer Stadt ein Opfer dargebracht oder ein Verbrechen begangen. Dieser erste Tote kann so etwas sein wie der Grundstein des Blutvaters, wenn er ohne Begräbniszeremonie in der Erde verscharrt wird, namenlos und ohne dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden. Angehörige, die vergeblich nach Rache schreien, ihre Tränen und das Blut des Toten - diese Mischung führte nicht selten zur Geburt eines Blutvaters. Blutige Kämpfe um den Herrschaftsanspruch, eine tödliche Fehde unter den ersten Siedlern oder ein vergessenes Schlachtfeld unter den Steinen der ersten Häuser. Bei Berlin habe ich nichts Entsprechendes gefunden. Die Stadt ist aus sieben unabhängigen Städten und zahlreichen Landgemeinden und Gutsbezirken zusammengewachsen. Unter welchen soll ich da suchen, in welchen Annalen? Das meiste aus der frühen Zeit im 13. bis 15. Jahrhundert ist nicht überliefert, und ich habe mich damals viel weiter im Süden herumgetrieben, ich erinnere mich an nichts. Außerdem ist die gesamte Gegend seit zehntausend Jahren besiedelt, vielleicht stammt er noch aus einem germanischen Dorf, da können wir uns in der Berliner Geschichte totsuchen.«
    Enttäuscht kaute Alex auf seiner Unterlippe herum. Beiläufig schaltete er das Handy wieder ein und trank seine Tasse leer. Der Kaffee war pappsüß, verdammt stark und doch zu schwach. Schließlich kämpfte er nicht gegen gewöhnliche Müdigkeit. Er hatte Angst vor weiteren Träumen. Drei Millionen Tote!
    Und er jammerte hier herum, weil das Kaffeepulver zu bitter schmeckte. Was war er für ein erbärmliches Weichei! Entschlossen löffelte er das feuchte warme Pulver aus dem Filter der Maschine und spülte es mit Kaffee runter.
    »Bäh!« Er schüttelte sich, sein Magen rumorte, aber er zwang sich, sich nicht zu übergeben. Nicht jetzt - vielleicht später, wenn das Koffein in der Blutbahn angekommen war. Er würgte, stieß auf und schluckte alles wieder hinunter. Es blieb ein widerlich bitterer Geschmack

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