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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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den meinen. Euch Vampire lass ich jetzt mal außen vor.
    Oft genug wurden wir auch als Wechselbalg bezeichnet, als Kuckuckskind erkannt, was die Männer unserer Mütter nicht wahrhaben wollten, denn stets waren wir das schönste Kind im Haus. So schön, dass sie uns behalten wollten.
    Bis sie die Wahrheit akzeptieren konnten, und das mussten dann die Mütter ausbaden, gesteinigt oder verstoßen als Ehebrecherin. Und waren sie nicht verheiratet, hätten sie sowieso nicht schwanger werden dürfen, und ihr Ruf war ebenso ruiniert. Also haben die meisten geschwiegen oder es nur ihren erwachsenen Kindern anvertraut, wenn ihr Gatte tot war. Sie haben von der schönsten Nacht ihres Lebens gesprochen, oft voller Wehmut und Sehnsucht, manchmal voller Hass und Wut, weil dieser Mann nach einer einzigen Nacht verschwunden war. Manche haben sich von da an vor ihrem Gatten und der Berührung aller anderen Männer geekelt, andere wurden nymphoman, jagten seit dieser Nacht einem vergleichbaren Erlebnis nach, wieder und wieder und immer vergeblich.
    Ich habe meinen Vater jahrhundertelang gesucht, bin besessen jedem Hinweis nachgegangen, jeder Ahnung. Jeder Nephilim tut das, doch keiner von uns hat je einen Engel gefunden oder einen Gott. Keiner. Irgendwann habe ich nur noch beiläufig gesucht, mit jedem Jahr schwand die Hoffnung ein bisschen, doch ganz konnte ich nie aufgeben. Ich kann es nicht. Bis heute muss ich jeder Spur nachgehen, nur verspreche ich mir inzwischen von den meisten Hinweisen nichts mehr.
    Ich meine, der Kerl hatte mehrere Jahrtausende, um sich zu melden, wenn er gewollt hätte. Wir wissen nicht einmal, ob wir alle denselben Vater haben oder ob es mehrere gibt. Er oder sie verstecken sich vor uns. Nicht eine einzige Nachricht wurde je einem Nephilim hinterlassen, und auf einen solchen Vater scheiße ich. Eine Zeit lang habe ich ihn nur gesucht, um ihm in die Eier zu treten, nicht mehr aus Neugier auf ihn. Vielleicht stirbt ein solcher Vater auch nach dem Liebesspiel wie bei irgendwelchen Insekten, wer weiß das schon, und ich bin wütend auf einen Toten. Ist das bei Gottesanbeterinnen so? Oder bring ich da was durcheinander?
    Egal. Aber warum sollten wir derart langlebig sein, wenn es unsere Väter und Mütter auch nicht sind? Ich weiß es nicht, und nachdem ich meinen unsichtbaren Vater eine Ewigkeit lang gehasst habe, ist er mir jetzt eigentlich egal. Ich bin es ihm schließlich auch.«
    Sie warf ihm einen Blick zu, aus dem alle Arroganz und jedes Verlangen verschwunden war. Er erkannte eine Einsamkeit darin, die von keiner der Nächte voller Leidenschaft gestillt werden konnte, die tiefer reichte als seine innere Leere. Ewige Einsamkeit, die Danielle ebenso durchs Leben trieb wie der Hunger nach menschlicher Lust. Ihre Unnahbarkeit rührte nicht von Schönheit und Arroganz her.
    »Am Ende wurden unsere Mütter alle von Aliens entführt und künstlich befruchtet, und ihre angeblichen Erinnerungen an unsere Väter und die schönste Nacht ihres Lebens sind nichts weiter als experimentell hervorgerufene Träume. Dann müsste ich irgendwo hinter dem Jupiter suchen.« Sie stieß ein schnaubendes Lachen durch die Nase, doch ihr Blick blieb traurig. »Ich versuche einfach, nicht an ihn zu denken. Manchmal würde ich gern wissen, mit wie vielen Nephilim ich verwandt bin, ob ich Halbbrüder und Halbschwestern unter ihnen habe, aber eigentlich ist das auch nicht wichtig, wir sind Einzelgänger, daran würde auch irgendeine Verwandtschaft nichts ändern. Es wurmt nur, nicht zu wissen, wer man ist, was man ist.«
    Alex strich ihr vorsichtig durchs Haar, langsam und zärtlich. Sekundenlang wusste er nichts zu sagen, dann fragte er: »Vielleicht war er einfach ein Nephilim? Du hast doch selbst gesagt, dass du auch nach einer Nacht verschwindest.«
    »Ist eine lange verworfene Theorie. Kein Nephilim, den ich kenne, hat je ein Kind gezeugt. Ich selbst war nie schwanger. Wir Nephilim sind unfruchtbar. Wie Maultiere.«
    Stumm strich er ihr mit der Hand über den Oberschenkel. Er glaubte weder an Götter noch an Engel, aber bis vor zwei Wochen hatte er auch nicht an Vampire geglaubt.
    Nur eines wusste er - wenn es wirklich Engel waren, die die Nephilim zeugten und allein ließen, dann wären sie nicht das personifizierte Gute.
    »Ich erzähl’s dir später mal genauer, wenn du magst«, flüsterte Danielle und blinzelte die Dunkelheit aus ihrem Blick. »Aber jetzt sag mir, dass ich gut aussehe. Ich muss schließlich einen

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