Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)
Ibolya und Magda jeden Tag in der Lagerwäscherei arbeiten, wo sie die Läuse aus den Häftlingskleidern herauswaschen und die Fetzen zum Trocknen aufhängen. Müde und hungrig, aber schnell und sorgfältig erledigt Eva alle Aufgaben, die ihr der Kapo auferlegt. «Hauptsache, wir waren in der Wärme, an schwere Arbeit war ich ja schon von zu Hause gewöhnt.» Eine körperlich anstrengende Arbeit draußen, im Schnee und in der Kälte, würden die Hochschwangeren nicht überstehen. Sie und ihre ungeborenen Kinder bleiben nach wie vor in Todesgefahr, auch wenn ein Rücktransport nach Auschwitz jetzt nicht mehr möglich ist. Im Mühldorf-Mettenheim, einem anderen Dachauer Außenlager, entbindet eine jüdische Frau im Dezember 1944 wie Bözsi einen Jungen. Eine SS-Aufseherin befiehlt der Lagerältesten, das Baby zu verbrennen. Als die sich weigert, zwingt die SS-Frau einen Häftlingsarzt, das Kind zu töten. Er ertränkt den Säugling in einem Wasserkübel.
Der durchdringende Klang der Schläge auf ein aufgehängtes Schienenstück reißt jeden Tag um 4.30 Uhr die Gefangenen im Frauen- und Männerlager aus ihrem Schlaf. Nach dem Morgenappell, der bis um 6 Uhr dauert, ziehen die Männer in ihren Lumpen aus dem Lager hinaus. In der eisigen Luft steigt ihr Atem wie Rauch auf, die Augen sind tief in die ausgezehrten Gesichter eingesunken. Auch kranke Häftlinge quälen sich zur Baustelle, weil sie nur dort ihre karge Essensration bekommen. Mit dem Bau der unterirdischen Fabrikhallen hat die Organisation Todt unter Leitung von Xaver Dorsch drei Firmen beauftragt, Leonhard Moll, Philipp Holzmann und Karl Stöhr, die eine Reihe von Subunternehmen beschäftigen. Bei jedem Wetter müssen die Häftlinge in unzureichender Kleidung, die häufig nur aus zerfetzten Hosen und dünnen Jacken besteht, und mit bloßen Füßen in Holzschuhen körperliche Schwerstarbeit leisten. Zwölf lange Stunden dauert eine Schicht. Unterbrochen wird sie nur von einer Pause, in der die jüdischen Zwangsarbeiter eine Wassersuppe mit etwas Gemüse bekommen. Die Männer bauen Schienendämme, tragen 50 Kilogramm schwere Zementsäcke auf dem Rücken, füllen Sand und Kies in riesige Betonmischmaschinen und schleppen den schweren Beton in einer Wolke aus Staub zu dem Bauwerk. Augenzeugen berichten nach dem Krieg, dass nicht wenige Häftlinge von den Baugerüsten in die Tiefe stürzten und im frischen Beton versanken. Das OT-Personal und auch Arbeiter der anderen Firmen verhalten sich nicht minder brutal als das SS-Lagerpersonal und treiben die erschöpften Häftlinge durch Schläge zur Arbeit an. Die Menschen, die zusammenbrechen, werden erschossen oder dem Sterben überlassen. Besonders die Arbeit bei Moll ist gefürchtet. Gegen 20 Uhr am Abend kehren die Gefangenen ins Lager zurück, jedes Mal bringen sie auch Tote mit. «Es hat uns fast das Herz gebrochen, die hungrigen Männer zu sehen. Aber wir konnten ihnen nur selten eine Kartoffel oder etwas anderes zustecken», erzählt Ibolya Ginsburg, die später in der Küche arbeitet. Die Abendmahlzeit besteht aus einem Liter Suppe aus Wasser und Kohl mit Stücken ungeschälter Kartoffeln. Zuerst erhalten die Häftlinge noch ein Viertel eines Wecken Brots, später verringert sich die Portion auf ein Sechstel, dann ein Siebtel und am Ende auf ein Achtel. «Von etwa 1000 Männern, die zwei Wochen vor Weihnachten zur Nachtschicht ausrückten, waren an Weihnachten nur noch 200 am Leben. Die anderen starben wie die Fliegen.» Der Hunger erstickt alle Gedanken, sogar die Angst, und stürzt jeden, auch wenn es gegenseitige Hilfe noch gibt, in tiefe Einsamkeit. Die Frauen, die zum Putzen oder in den Küchen eingesetzt sind, haben es leichter. Aber auch weibliche Häftlinge schuften im Straßenbau, auf den Feldern oder im Wald für das Holzmann-Kommando, in dem sie gefällte und zersägte Bäume zu den Baustellen schleppen müssen. Davon bleiben Eva, Miriam, Bözsi, Magda, Sara, Ibolya und Dora verschont.
Erdhütten im ehemaligen Lager Kaufering IV kurz nach der Befreiung Ende April 1945
Der Winter ist eisig. Die Frauen frieren in ihrer Baracke. Nur wenn sie ganz nahe an den kleinen Ofen rücken, können sie sich etwas wärmen. Miriam ist froh, dass sie nicht mehr in einer der Erdhütten schlafen muss. Für diese primitiven Unterkünfte hatten die Häftlinge während des Aufbaus des Lagers im Sommer eine ein Meter fünfzig tiefe, ein Meter achtzig breite und zwölf Meter lange Grube ausheben müssen. Darüber wurde
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