Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Titel: Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Gruberová , Helmut Zeller
Vom Netzwerk:
Miriam beschließen, nicht wie die anderen fünf Mütter nach St. Ottilien zu gehen. Sie wollen so schnell wie möglich zurück in ihre Heimat. Das während des Krieges zum Lazarett umfunktionierte Benediktinerkloster in St. Ottilien dient jetzt als Sanatorium für jüdische Überlebende. Dort sollen sie gesund gepflegt werden, bevor sie die Heimreise antreten. Der Abschied fällt schwer. Vor allem Bözsi, ihre Beschützerin und Retterin, wird Miriam sehr fehlen. Alle versprechen sich, in Kontakt zu bleiben. Sie sind und bleiben für immer Lagerschwestern. Tausende Überlebende verlassen im Mai Dachau, auch Eva und Miriam wollen die nächste Gelegenheit nutzen, um heimzukommen. Auf der Transportliste derjenigen, die in die Tschechoslowakei repatriiert werden sollen, stehen neben Evas und Miriams Namen auch die von Truda Lustig und ihrer Schwester Margit. Ein US-Jeep fährt sie bis nach Pilsen. Dort trennen sich die Wege der jungen Mütter in dem Lärm abfahrender und eintreffender Lastwagen. Margita Horáková, so heißt Margit Lustig heute, hat noch das Bild vor Augen, wie Eva während der Fahrt das Baby von Miriam stillt. Auch nach ihrer Rückkehr vergisst Miriam den Mann, dem sie ihr Überleben und auch das Überleben ihres Kindes am meisten verdankt, nicht. Sie schickt Doktor Vadász nach Ungarn einen Brief und ein Paket mit Lebensmitteln. «Ich wollte ihm noch einmal meine Dankbarkeit ausdrücken. Aber es kam alles zurück, der Adressat war unbekannt.»

    Im DP-Hospital St. Ottilien. Fünf der sieben jüdischen Mütter mit ihren Kindern. Von l. n. r.: Elisabeta (Bözsi) Legmann mit Gyuri, Ibolya Kovács mit Agnes, Sara Grün mit József, eine Nonne, Magda Schwartz mit Judit, Dora Löwy mit Zsuzsanna, Magdas Mutter Maria Reich. St. Ottilien, Deutschland, Juni/Juli 1945
«Er hat alles verloren und blieb dennoch menschenfreundlich»
    Am Busbahnhof von Nagykálló, einem zehntausend Einwohner zählenden Ort im Nordosten Ungarns, wartet Margit Harsányi schon ungeduldig. Nach einer herzlichen Begrüßung geht die 65 Jahre alte pensionierte Lehrerin rasch voran. Ein paar hundert Meter weiter biegt sie in eine stille Seitenstraße ein und bleibt vor einem gelb gestrichenen Haus mit roten Dachziegeln stehen. Hier hatte der Amtsarzt Ernö Vadász bis zu seinem Tod im Jahr 1957 sein Büro. Das Fenster geht auf einen Hof, in dem eine mächtige Akazie steht. Die breite Krone des 1895 gepflanzten Baums ragt weit über das Haus hinaus. Als Vadász starb, war Margit ein Mädchen von zwölf Jahren. Heute leitet sie das Heimatmuseum der klein und verschlafen wirkenden Stadt im Dreiländereck von Ungarn, Slowakei und Ukraine. Dabei ist Nagykálló bis in die USA bekannt. Jedes Jahr besuchen gläubige Juden das Grab des chassidischen Wunderrabis Eizik Izsaak Taub aus dem 18. Jahrhundert, der für seine Güte und Gelehrsamkeit berühmt war. Aber Nagykállós anderer großer Sohn, der Gynäkologe Ernö Vadász, wäre fast vergessen, wenn es nicht Margit Harsányi gäbe. Im Heimatmuseum bewahrt sie seine lederne Arzttasche und ein paar Fotografien auf. Ihre eigene Erinnerung an den jüdischen Arzt ist blass, aber im Verlauf ihrer Recherchen zur Geschichte ihres Heimatorts erkannte sie Ernö Vadász als bemerkenswerten Mann. Von den Geburten im Konzentrationslager wusste allerdings kaum jemand in Nagykálló. Seitdem Margit Harsányi das erfahren hat, treibt der Wunsch sie um, dass ihre Heimatstadt Ernö Vadász eine Gedenktafel widmet.
    Die Alten von Nagykálló erinnern sich noch gut an den Frauenarzt, der am 19. September 1890 geboren wurde. Margit hat sie alle befragt. Sie beschreiben ihn als einen warmherzigen, gütigen Mann, der immer, am Tag wie in der Nacht, für seine Patientinnen da war. Die 87-jährige Katharina sagt: «Doktor Vadász behandelte alle gleich, ob man ihn bezahlen konnte oder nicht.» Verschmitzt lächelnd, fügt sie hinzu: «Er sah auch sehr gut aus.» Ein Foto zeigt ihn als stattlichen Mann in elegantem Anzug mit einem breitkrempigen Hut auf dem Kopf. «Er trug mit Vorliebe braune Anzüge», sagt Margit. Für die jüngeren Bewohner ist Ernö Vadász aber schon ein Unbekannter. In einer scharfen Linkskurve der Hauptstraße, die mitten durch Nagykálló führt, steht eine Diskothek. Nichts erinnert daran, dass in diesem lang gestreckten, dunklen Raum nach dem Krieg Wartezimmer und Praxis des Arztes untergebracht waren. Hinter der Theke führte ein Korridor zu seiner Wohnung. Sein Geburtshaus, das er mit

Weitere Kostenlose Bücher