Geboren in der Hölle
Druck auf seinen Lungen.
Johnny schrie.
Es waren nur Schreie in seinem Kopf. Ansonsten hielt er noch immer die Lippen geschlossen, aber der Druck steigerte sich ständig. Er wollte atmen, er brauchte Luft, und seine Bewegungen waren längst gestorben. Bunte Lichter und Bilder tanzten vor seinen Augen. Er sah sich, er sah seine Eltern. Bilder und Szenen aus seinem bisherigen Leben wurden wie ein hin und wieder stockender Film vor seinen Augen entlanggezogen.
Das Ende war da.
Er mußte den Mund aufreißen.
Johnny tat es – und wurde zugleich in die Höhe gezerrt. Als hätte Cigam den Augenblick haargenau abgepaßt. Johnny atmete ein. Wasser spritzte in seinen Mund. Es waren nur Tropfen, die noch hineinklatschten oder von seinem Gesicht entlang über die Oberlippe in den Mund hineinliefen.
Er atmete, er hustete, er spie, und der Druck in seinem Kopf verschwand allmählich, so daß er wieder mehr von der Realität mitbekam. Die Hand hatte ihn aus dem Wasser gezerrt. Er war wieder frei. Er konnte atmen. Er schwebte über der Wasserfläche, und die Finsternis des Wassers war von der normalen Dunkelheit abgelöst worden.
Cigam drehte ihn herum. Er befand sich noch in der Bewegung, als er Cords Stimme hörte. »Ja, reich ihn rauf. Es ist gut, daß du ihn nicht hast ersaufen lassen. Wir brauchen ihn noch…«
Johnny wurde in die Höhe gehievt oder gestreckt.
Cord Cluny hatte zugepackt und zerrte den schwachen Körper hoch. Er lachte noch immer, und Johnny sah die Gestalt des anderen wie einen Schatten, ein dem er hochglitt.
Mit den Knien zuerst fand er Halt auf den Planken. Johnny konnte sich nicht halten und kippte nach vorn. Liegenlassen wollte ihn Cord auch nicht. Er zerrte den noch immer hustenden Jungen hoch und stellte ihn auf die Beine.
»He, reiß dich zusammen. Du bist doch sonst nicht so, verdammt noch mal…«
Johnny sagte nichts. Er rang noch immer nach Atem. Dabei hatte er das Gefühl, Feuer in seiner Kehle zu spüren. Jedes Schlucken tat ihm weh. Er hatte das Gefühl, kleine Ungeheuer hämmerten mit spitzen Gegenständen durch seinen Kopf.
Cord schleifte ihn weiter. Mit dem Rücken drückte er ihn gegen die Holzwand des Bootshauses und schüttelte ihn durch. Johnny sah das Gesicht seines Schulkollegen dicht vor sich. Aber Cord war kein Kollege mehr, er hatte sich in ein Monstrum verwandelt und war nur äußerlich noch ein Mensch.
Der Mund zeigte ein Grinsen, als er sagte: »Jeder ist seines Glückes Schmied. Das habe ich mal gehört. Und jetzt wirst du merken, wie sehr das Sprichwort stimmt.«
»Was willst du denn?«
»Dich! Ein neues Opfer. Eine Beigabe für meinen Freund Cigam, der alles für mich tut. Aber nicht sofort. Du sollst erst noch leiden, denn ich weiß, wie neugierig du bist. Das hat sich in unserer Schule herumgesprochen. Du und dein verdammter Vater. Wir hätten dich ersäufen können wie eine Katze, aber ich möchte deine Neugierde befriedigen, bevor es zu Ende geht. Du sollst erfahren, sehen und wissen. Dann wird dir erst mal bewußt werden, wie machtlos du bist…«
Johnny hatte die Worte gehört. Sie trafen ihn nicht einmal stark. Alles andere wäre eine zu große Überraschung gewesen. In seiner Lage konnte Cord ihn nicht am Leben lassen.
Er zerrte ihn von der Wand weg, drehte ihn herum und schob ihn durch die offene Tür in das Bootshaus hinein.
Bereits nach dem ersten Schritt wußte Johnny, daß er und Cord nicht allein in der Dunkelheit waren. Es befand sich noch eine Person hier. Sie war mehr zu ahnen, als zu sehen. Auch wenn sich die Augen an das Umfeld gewöhnt hatten, würde sie nur schwer zu erkennen sein.
Dicht hinter der Tür blieben die beiden stehen. Cord hielt seinen Gefangenen nur mit einer Hand fest. Die andere brauchte er, um nach dem Lichtschalter zu suchen.
Das leise Klicken war nicht zu hören, aber unter der Decke erhellten sich mehrere Lampen. Schlichte Glühbirnen, die an einer Kette hingen. Wären sie farbig gewesen, dann hätten sie die perfekte Partybeleuchtung abgegeben, so aber gaben sie ein normales, wenn auch schwaches Licht ab, das aber ausreichte, um den Mittelpunkt des Bootshauses zu sehen.
Dort stand eine Frau!
Sie war nackt.
Und sie stand dort nicht freiwillig, sondern hing in einer teuflischen Fesselung.
Diagonal war ein Seil gespannt worden, das sich in der Mitte um den Hals der Frau gewickelt hatte. Es war nur eine Schlaufe nötig gewesen, um den Kopf so grausam festzuhalten. Die Idee, jemand so zu töten, wäre einem normalen
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