Geborgen in den Armen des Scheichs
bekäme, müssten sie Lucy erklären, wie das passieren konnte?“
„Das würde mir nicht schwerfallen.“ Er stellte sich neben sie und beobachtete ebenfalls den Horizont. „Ich würde ihr sagen, dass Sie aus Trotz und Eigensinn draußen in der Kälte gestanden haben und ich nichts dagegen habe unternehmen können. Hätte ich Sie fortschleppen sollen?“
„Nein, gewiss nicht.“ Das wäre skandalös gewesen. Aber einen trotzigen und eigensinnigen Eindruck zu hinterlassen, der Rose zugeschrieben wurde, war auch nicht viel besser. Sie musste sich unbedingt standesgemäßer verhalten.
„Seine Hoheit, der Emir, dagegen würde annehmen, ich hätte dafür sorgen wollen, dass Sie sich eine Lungenentzündung zuziehen, um ihm Scherereien zu bereiten.“
Das sollte wie ein Scherz klingen, doch Lydia hörte auch Bitternis heraus.
„Warum sollte er Ihnen das unterstellen? Und warum sprechen Sie von ihm als Seine Hoheit, der Emir? Scheich Jamal ist doch Ihr Onkel, nicht wahr, Kal?
„Ja“, sagte er kurz angebunden.
„Sie sind auch zum ersten Mal in Bab el Sama? Warum eigentlich?“
„Schauen Sie sich den Sonnenaufgang an, verdammt noch mal.“
Mit anderen Worten, es ging sie nichts an. Sie hatte zu viele persönliche Fragen auf einmal gestellt. Es gab also ein Tabu, ein Rätsel, ein Geheimnis.
Auch er wollte etwas verborgen halten. Aber sie glaubte nicht, dass er sie belog, so wie sie ihn belog. Wieder meldete sich das schlechte Gewissen.
Sie schwieg und tat, was er ihr befohlen hatte.
Die aufgehende Sonne zauberte Farben an den Himmel, die sich im Wasser spiegelten: erst Rot, dann Pink, schließlich golden wie heißes Metall. Mit zunehmender Helligkeit konturierten sich die dunklen Schatten auf dem Wasser zu Zweimastern, Dreimastern, Dampfschiffen und Motorbooten. Am anderen Ende der Bucht zog sich eine kleine Stadt das steile Ufer hinauf. Lydia entdeckte einen Hafen und einen Markt, auf dem das Leben erwachte.
„Herrlich“, murmelte sie. „Dafür gibt es keine Worte.“
„Doch“, widersprach er. „Bab el Sama, das Tor zum Himmel.“
Sie schluckte. „Sie haben gewonnen.“
Er schüttelte den Kopf. „Sind Sie zufrieden?“
„Ja. Danke für Ihre Geduld.“
„Auch ich hätte nichts davon versäumen mögen.“
Sommerhaus war ein viel zu bescheidener Ausdruck für das, was aussah wie ein Zauber aus Aladins Wunderlampe. Auf einer Terrasse deckte ein Diener gerade den Tisch.
Er verbeugte sich höflich. „ Assalam alaykum, sitti. Marhaba .“
„Das heißt, Friede sei mit Ihnen, Lady, und herzlich Willkommen“, übersetzte Kal.
„Was muss ich ihm antworten?“
„ Shukran. Alaykum assalam “, sagte Kal. „Danke. Friede sei mit Ihnen.“
Der Mann lächelte und verbeugte sich noch einmal, als Lydia die arabischen Worte wiederholte und sie sich dabei fest einprägte. Dann zog er sich zurück, damit sie das Frühstück ungestört genießen konnten.
Sie setzte sich in einen hochlehnigen Rohrsessel mit weichen Seidenkissen. Kal nahm ihr gegenüber Platz und griff nach einem Korb mit warmem Gebäck.
„Hungrig?“, fragte er.
„Seit ich London verlassen habe, scheint meine einzige Aktivität darin zu bestehen zu essen.“ Sie war vor allem müde. Eine Tasse heißer Tee würde genügen.
„Darf ich das als ja oder nein verstehen?“ Er hielt ihr den Korb entgegen.
„Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages“, sagte sie und griff zu, weil der Duft so köstlich war. „Es ist doch Frühstückszeit?“
„Das steht in Ihrem Belieben.“ Er goss Tee in zwei unglaublich dünne Porzellantassen. „Milch oder Zitrone?“
„Einen Tropfen Milch, bitte. Aber sollten Sie das tun?“
Verständnislos blickte er sie an.
„Ich meine, mich bedienen.“
Er runzelte die Stirn. „Schadet das Ihrem Image?“
Jetzt schaute sie verständnislos.
Anders als sein Großvater und Vater hatte Kal sich nie als Prinz gefühlt, der über den Dingen schwebte. Trotz der bewegten Umstände seiner Kindheit war er von seiner fürsorglichen Mutter eher zu Häuslichkeit erzogen worden und hatte später gelernt, diese Fürsorge auch Frauen entgegenzubringen. Irgendwann hatte er nämlich eingesehen, dass es für seine Mutter interessantere Aufgaben gab, als ihn zu bedienen. Und dann endlich auch seine eigene Aufgabe gefunden.
Zu arbeiten hatte er nie nötig gehabt und würde es auch in Zukunft nicht nötig haben. In die geliebte Fliegerei hatte er außer Mühe anfänglich vor allem Geld gesteckt. Doch der
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