Gebrauchsanweisung für China (German Edition)
sie über seinem eigenen Land zündete. Bis heute kämpft das Land mit den Verwüstungen, die dieses Erbe nicht nur in seiner Erde, sondern auch in seiner Seele und seinem Geist hinterlassen hat.
Der Krieg gegen die Natur geht derweil weiter. Heuterichtet das unkontrollierte Jagen nach Wirtschaftswachstum Schäden an, an denen noch Generationen zu tragen haben werden. Das Staatliche Umweltschutzamt Sepa in Peking selbst bezifferte die Kosten der Umweltzerstörungen in China auf zehn Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts – wenn man die Kosten ehrlich einrechnen würde, dann bliebe vom Wirtschaftswunder nicht mehr viel übrig. Optimismus sei »fehl am Platz«, gab Zhu Guangyao, der Vizechef des staatlichen Umweltamtes, düster zu Protokoll. Sepa warnt vor bis zu 150 Millionen Umweltflüchtlingen in den nächsten Jahren. Grasland versteppt, Seen kippen um, Flüsse trocknen aus, Gift sickert in Böden und Nahrung, und die Luft in den Städten ist derart, dass Marathonweltrekordhalter Haile Gebrselassie beim Olympiamarathon in Peking nicht antrat mit der Begründung: »Die Luftverschmutzung in China ist eine Gefahr für meine Gesundheit.« Nicht nur für seine. Einer gemeinsamen Untersuchung von Weltbank und Sepa zufolge sterben im Jahr 760000 Menschen in China einen vorzeitigen Tod, weil ihre Luft und ihr Wasser verschmutzt sind. In der dann veröffentlichten Fassung des Berichtes fehlt die Zahl übrigens – die Weltbank musste sie auf Druck Pekings herausnehmen. Die apokalyptischen Warnungen der staatlich bestallten Umweltschützer von Sepa haben bislang wenig Folgen: In der Partei geben noch immer die den Ton an, die allein in Wirtschaftswachstumszahlen die neue Legimitation ihrer Herrschaft den Bürgern gegenüber sehen.
Natürlich gibt es auch unter Chinas Bürgern längst Natur- und Tierschützer. Gegen die Macht- und Wirtschaftsinteressen lokaler Funktionäre und Verwaltungen kommen sie nicht an, und Systemkritik ist ihnen ohnehin nicht gestattet, aber gegen das Wildern der tibetischen Antilope dürfen sie mittlerweile ebenso protestieren wie gegen das Schlachten von Bernhardinern. Die von Ausländern oft beklagte Gleichgültigkeit oder Grausamkeit gegenüber Tieren in China erklärte mir eine Pekingerin einmal so: »Wo Menschen so grausambehandelt wurden wie in unserem Land, wie soll man da Mitleid für die Tiere erwarten?« Ein Tierschutzgesetz gibt es bis heute nicht, doch fügte die Tierschützerin an, ihre Organisation verspüre ein zunehmend positives Echo von den Behörden.
Dem Baiji half das nichts. Der Baiji ist ein weißer Delfin. 20 Millionen Jahre lebte der Baiji auf dieser Erde, bevor der Mensch kam. Für den Baiji waren das die guten Jahre. Irgendwann vor vielleicht 20000 Jahren verließ er den Pazifischen Ozean, um in einem weitverzweigten Fluss- und Seengewässer zu siedeln. In süßem Wasser, fischreich und ohne Feind. Das ging so lange gut, bis der Mensch auf diesen Fluss stieß, ihn zuerst taufte auf den Namen »Langer Fluss« und ihn dann nutzte. Heute ist der Jangtze Sinnbild für Chinas Entwicklung: geschäftige Infrastrukturader, Heimat des gigantomanischen Dreischluchtendamms, Stolz der Parteiführung. Gleichzeitig ist er über weite Strecken eine Kloake: verschmutzt, vergiftet, tot. Eben noch war der Baiji neben dem Pandabären eines der Landesmaskottchen, nun ist er still und leise aus allen offiziellen Verlautbarungen verschwunden, die Regierung weiß wohl, warum: Im Jahr vor den Spielen fuhren 30 Wissenschaftler sechs Wochen den Jangtze hinunter, um die noch lebenden Baiji-Familien zu sichten und zu dokumentieren. Sie fanden keinen Einzigen mehr. Ihr Fazit: »Mit aller Wahrscheinlichkeit ausgestorben«. Als erster Delfin, als erste Walart seit dem Auftreten des Menschen auf der Erde.
Der Berg der Roten Pagode
Zigarettenmarke, beheimatet in Chinas Südwestprovinz Yunnan. Sieben Jahre hintereinander zum wertvollsten Markennamen Chinas gekürt, musste den Spitzenplatz erst 2003 abgeben an den global expandierenden Hausgerätehersteller Haier . Kein Wunder, ist doch China der größte Tabakmarkt der Erde: Hier rauchen schätzungsweise 350 Millionen Menschen – zu 95 Prozent Männer. Bislang fast ausschließlich heimische Marken, berühmt sind etwa Zhonghua (»China«) oder Xiao Xiongmao (»Kleiner Panda«). Letztere war Leib- und Magenlaster des – aus der Pandaheimat Sichuan stammenden – verstorbenen Patriarchen → Deng Xiaoping . Deng genehmigte sich zwei
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