Gebrauchsanweisung für China (German Edition)
Lager mit den Nordchinesen, die es angesichts der Speisekarte ihrer südchinesischen Landsleute ebenso schütteltwie uns. Jene mit Käfigen und Aquarien vollgestellten Eingangshallen, die einen lebendigen Querschnitt durch sämtliche »National Geographic«-Artikel der letzten fünf Jahrzehnte zu bieten scheinen, gehören fast immer zu kantonesischen Restaurants. Dort angebotene Gerichte wie »Rot geschmortes Pangolin« (ein in Vietnam beheimatetes gepanzertes Schuppentier) oder »In Zuckerrohr gebackene Ratte mit schwarzen Bohnen« würden auch meine Pekinger Freunde nie im Leben anrühren. Abgesehen davon, dass sie sich die meisten dieser Gerichte ohnehin nicht leisten könnten. Die englischsprachige Zeitung »China Daily« veröffentlichte unlängst ein großes Foto von der dreijährigen Zhou Ran, die sich im Pekinger Zoo in eine Unterschriftenliste eintrug: »Zhou Ran gelobte, wilde Tiere zu schützen und sie nicht zu essen«, hieß es in der Bildunterzeile.
Bis jedoch die Zhou Rans dieses Landes erwachsen sind und die Meinungsführerschaft im Land übernehmen, kann man Chinareisen guten Gewissens nur Angehörigen jener Spezies empfehlen, die an der Spitze der Nahrungskette steht.
Der Pandabär
1.
Als Markenname u.a. ein Toaster, ein Fernseher, eine Austernsoße und eine Zigarettensorte.
2.
Als Panda mit den Räucherstäbchen schlimmster Computervirus des letzten Jahrzehnts ( → trojanischer P.). Sein Schöpfer Li Jun musste für vier Jahre ins Gefängnis.
3.
Bambusfressender chinesischer → Nationalschatz. Als solcher sitzt der Panda selbst hinter Gittern, vor allem in den Zuchtstationen Chengdu und Wolong in der Provinz Sichuan. Wild lebende Pandas gibt es heute noch rund 1600, sie leben in den Bergen der Provinzen Sichuan, Gansu und Shanxi.
Die Kommunistische Partei fühlt sich zum Xiongmao (wörtl. »Bärenkatze«) besonders hingezogen. Vielleicht weil er ebenso unfruchtbar und ebenso vom Aussterben bedroht ist. Vielleicht aber auch, weil der Panda so niedlich ist, wie sie selbst gerne wäre. Längst hat die → Pandadiplomatie die Ping-Pong-Diplomatie abgelöst. Der abtrünnigen Inselrepublik Taiwan möchte man ein Pärchen schenken, dessen Namen Tuantuan und Yingying zusammen das Wort »Wiedervereinigung« ergeben. Taiwan lehnte viele Jahre ab.
Außer der Spaltung des Vaterlandes fürchtet der Große Panda eigentlich nur die Bambusblüte, die ihn alle paar Jahrzehnte einmal seiner Nahrung beraubt. Weil er vor lauter Fressen gerne das Fortpflanzen vergisst, besorgen das die Chinesen für ihn. In den Zuchtstationen von Chengdu und Wolong haben sie mithilfe künstlicher Befruchtung schon mehr als 200 Pandababys zur Welt gebracht. Diese Pandas sind »keine einfachen Wildtiere«, wie der Vizechef des Chengduer Volkskongesses, Qu Ying, stolz zu Protokoll gab. Sondern? »Eine Ressource, eine Industrie.« Wie hart der Große Panda für den Ruhm der Nation arbeitet, davon legen die Titelzeilen der staatlichen Presse Zeugnis ab: »Pandas arbeiten Überstunden für Urlaubermassen«. Oder: »Pandababys feiern die Rückkehr Hongkongs nach China«.
Außer vor sich selbst muss man den Panda vor allem vor Zhao Bandi schützen, jenem Pekinger Künstler, der mit seinen Pandasatiren schon die Biennale in Venedig beehrte. Zhao Bandi also veranstaltete in Peking eine Pandamodenschau. Er widmete seine 33 Entwürfe »Chinas neuen sozialen Klassen«. Und so spazierte da nicht nur ein Olympia-Goldmedaillengewinner mit Pandaaugenringen und Pandaheiligenschein den Laufstieg hinab, sondern auch eine Pandamätresse und eine leicht bekleidete Pandanutte. Die Pandakader fanden das nicht zum Lachen. »Moralische Verurteilung allein scheint mir eine zu schwache Strafe zu sein für missbräuchliche Aktivitäten rund um den Großen Panda«, schimpft ein Beamter in Chengdu. Das findet die Nachrichtenagentur Xinhua auch: Zhao Bandi habe »das anständige Bild des Pandas als freundliches und süßes Symbol« in den Schmutz gezogen. In Chengdu arbeiten sie nun an einem Gesetz gegen die »Beleidigung und Ausnutzung« von Pandas.
Und Pandamann Zhao Bandi? Der sagt: »In erster Linie bin ich Mensch. Warum dürfen wir hier in China eigentlich die Menschen nicht genauso lieben wie die Pandas?«
Die vier Übel. Oder: Von Ratten,
Spatzen, Mücken und Fliegen
Es gibt im Pekinger Fernsehen eine Sendung mit dem Titel »Dokumentationen«. »Wir wollen heute über Naturschutz reden«, sagte der
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