Gebrauchsanweisung für den Gardasee
Kirche Sant’ Andrea, einen Besuch; doch fürs leibliche Wohl ist bedauerlicherweise weder in Maderno noch in Toscolano viel zu erwarten. Auch in dieser Hinsicht hat es die Doppelgemeinde schwer, sich von ihrem mäßigen Ruf als Durchfahrtsort zu erholen – womit andererseits nicht gesagt sein soll, daß man, sofern man nicht zu hohe Ansprüche stellt, nicht auch hier in der einen oder anderen Trattoria auf seine Kosten kommen kann.
Wir aber wollen zum Abschluß noch einmal nach den Sternen greifen, genauer gesagt, nach dem kostbaren einen Michelin-Stern, mit dem die superstrengen Tester des »Guide Michelin« das Restaurant La Tortuga am Hafen von Gargnano auszeichneten. Geführt wird das sehr kleine und sehr feine Lokal von der Familie Filippini, und höchst ungewöhnlicherweise, nicht nur für italienische Verhältnisse, zeichnen dabei die Frauen, nämlich Mutter Maria und ihre Tochter Daniela, für die Kochkunst verantwortlich, während sich Papà Mario gemeinsam mit der zweiten Tochter Marzia um den Service und das sonstige Wohlergehen der Gäste kümmert. Wie ihre Kollegin Wanda Perotti in Moniga del Garda halten es auch die beiden Damen Filippini mit eher puristischen Prinzipien; und hier wie dort wirken sich die sowie der Verzicht auf populäre, aber im Grunde eher barbarische Zubereitungsmethoden wie das Grillen vor allem auf die geschmackliche Qualität der Fischgerichte ganz hervorragend aus. Hingerissen waren wir hier vom carpione, aber auch von unserem Glück, den überhaupt vorgesetzt zu bekommen: Das gute Stück steht eben auch hier nur selten auf der Tageskarte. Und typisch, daß die Köchinnen zum carpione nichts anderes servieren ließen als ein paar Kartoffeln und eine, allerdings vorzügliche, ganz leichte Sellerie-Julienne.
Überhaupt lebt das La Tortuga vom diskreten Charme des Understatements: Eines der köstlichsten Gerichte aus Gardaseefischen, die wir je aßen, figurierte auf der Karte schlicht und simpel als spaghettini al ragù di pesce di lago. Ähnliche Allerweltsnamen tragen auch die nicht minder hervorragenden Fleischgerichte: Lammschulter mit Thymian, Rosmarin und Kartoffeln zum Beispiel – und basta. Mehr sein als scheinen: Von der Konsequenz, mit der dieses Prinzip hier befolgt, ja zelebriert wird, wie von der unnachahmlichen Leichtigkeit der Tortuga- Küche zeigte sich übrigens auch unser deutscher Gourmetpapst Wolfram Siebeck angetan, der bei gleicher Gelegenheit die vom Erfolgshotelier Robert H. Burns übernommene ausgebaute Villa Feltrinelli am Strand von Gargnano als das perfekte Muster eines kleinen Luxushotels pries. Nicht daß wir genug Geld hätten, das persönlich nachzuprüfen. Immerhin, fürs Tortuga hat es noch gereicht, auch wenn Kollege Siebeck die umgerechnet 65 Euro, die er hier bezahlte, besonders teuer fand. Wir haben keine Ahnung, wo Siebeck ansonsten zu speisen und zu trinken pflegt. Aber erfahren würden wir schon gern, wo jemand mit seinen Ansprüchen an Speis wie Trank mit einem solchen Betrag davonkommt. Wir ziehen auch hier wieder einen ganz anderen Schluß: Je besser man hier am Gardasee ißt, desto günstiger fällt der Preisvergleich mit entsprechenden Lokalen in Deutschland aus. Und schon deswegen halten wir uns hier an das Motto: Bei Filippini sehen wir uns wieder.
Den obligatorischen Entdeckungsspaziergang wollen wir dennoch nicht vergessen. Man kann ihn hier getrost schon vor dem Essen absolvieren: Obwohl das von imposanten Villen und Gärten umgebene Gargnano einen der schönsten historischen Ortskerne am Gardasee besitzt, sind seine Straßen und Plätze doch so gut wie nie von Touristenmassen überfüllt. Mr. Burns hat durchaus nicht umsonst hier investiert: Das Städtchen, das viel von seinem Charakter als verträumtes Fischerdorf bewahrt hat, gilt seit je als Treffpunkt der nicht nur gesetzteren, sondern auch reicheren Gardaseebesucher. Erlebnishungrige junge Leute meiden es deshalb genauso wie Familien mit Kindern. Letztere übrigens meist zu Unrecht: Sie fürchten hier den Nepp, dem sie dann gerade in den Cafés und Boutiquen populärerer Uferorte ausgeliefert sind.
Vielleicht repräsentiert ja gerade die friedliche Atmosphäre, die uns an Gargnano so bezaubert, nicht nur die ferne Vergangenheit des Gardaseetourismus, sondern auch dessen Zukunft. Während wir uns auf das endgültig letzte Stück unserer Seerundfahrt machen und unmittelbar hinter Gargnano in den ersten der vielen langen Tunnels der bereits beschriebenen wildesten und
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