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Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Titel: Gebrauchsanweisung für den Gardasee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Stephan
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trotzdem trifft man auch hier mittlerweile auf mehr Schein als Sein. Ja, noch schlimmer: Nicht einmal vom äußeren Schein des pittoresken Gemüsemarkts, dem die piazza erbe ihren Ruf verdankt, ist heute viel übriggeblieben. Statt dessen haben sich hier, unter unansehnlichen Plastikplanen, vor allem Souvenir- und Billigtextilhändler ausgebreitet. So bekommt man, wenn auch ungewollt, zumindest eine Ahnung, daß Verona mehr ist als seine hübsche Altstadt mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten wie den romanischen und gotischen Kirchen oder der famosen Scaligerburg und der von ihr aus über die Etsch führenden Brücke, mehr auch als das mondäne Einkaufszentrum zwischen piazza erbe, via Cavour, via Roma und der hinter der Arena liegenden piazza Brà.
    Arena und Tourismus – das ist nur ein Teil des Alltags von Verona, und für die allermeisten seiner Bewohner keineswegs der wichtigste. Die Wahrheit über deren wirkliches Leben erführe man ein paar Steinwürfe weit jenseits der prächtigen mittelalterlichen Stadttore, in den zahlreichen, keineswegs durchweg dekorativen Außenbezirken dieser von mehr als einer Viertel Million Menschen bewohnten Stadt. Viele von ihnen sind ungeliebte und schlecht bis gar nicht betreute Immigranten, aus Osteuropa, aus Afrika oder – was in den Augen vieler von der Egomanenpartei Lega Nord und ihren faschistischen Verbündeten aufgehetzten Veroneser das Schlimmste ist, aus dem ärmeren Süden Italiens. Auch sie trifft man an den Billigständen auf der piazza erbe, als Verkäufer, aber, darauf kann man in den meisten Fällen Gift nehmen wie die famose Julia, ganz bestimmt nicht als die eigentlichen Nutznießer dieses großen Touristennepps vor malerischer Kulisse.
    Auch insoweit also bringt einen der Abstecher vom Gardasee nach Verona mit der italienischen Realität in Kontakt. Womit wir aber, es ist ja nur ein Abstecher, niemandem die Ferienlaune vermiesen wollen. Welchen Charme, ja welchen Zauber nicht nur die von mittelalterlichen Häusern und Stadtpalästen umstandene piazza erbe, die großzügige piazza Brà, ja die ganze Altstadt ausstrahlen können, bemerkt man am besten abends, wenn die meisten Händler ihre Buden dichtgemacht haben, die meisten Touristen schon in der Arena sitzen und statt dessen die Einheimischen beim abendlichen corso auf der via Mazzini, der via Cappello oder der via Leoni unterwegs sind: Die richtige Zeit auch für ein Glas Soave oder einen späten Aperitif in einem der vielen Cafés hier, sondern auch – sofern man nicht längst selbst in der Arena sitzt oder, was nicht verkehrt wäre, für den Abstecher nach Verona zwei Tage statt nur eines einzigen eingeplant hat – zu einem guten Abendessen.
    Gourmets sollten dabei wissen: Das mit Abstand beste Restaurant der Stadt – und obendrein eines der besten Italiens – ist längst nicht mehr das lange (und am längsten in deutschen Reiseführern) als solches geltende Santissimi Apostoli, sondern das Il Desco; das elegant eingerichtete Lokal befindet sich zwischen via Cappello und Etsch in einem alten Klostergebäude an der via dietro San Sebastiano. Elia Rizzo in der Küche und seine Frau Anna verwöhnen einen hier mit Hummer und Petersilien- oder Selleriepüree, mit Kürbiscannelloni in einem Tomaten-Salami-Sugo, geschmorter Rinderlende mit glasierten Zwiebeln und Spinat und anderen Delikatessen. Billig ist das keineswegs, schon gar nicht für italienische Verhältnisse; daß man aber nach einem wunderbaren Abend im Il Desco womöglich dennoch weniger bezahlt als bei vielen deutschen Edelitalienern, hat vor allem mit den hier wesentlich günstigeren Preisen für Flaschenweine zu tun, die man übrigens im Kellergewölbe der Familie Rizzo auch gesondert verkosten kann. Regionale Trümpfe sind hier natürlich die besten Gewächse aus den nahe gelegenen Anbaugebieten Valpolicella und Soave.
    Doch auch wer’s weniger erlesen braucht oder mag, ist in Verona nicht auf eine der vor allem im nächsten Umkreis der Arena angesiedelten Touristenabfütterungs-Stationen angewiesen. Daß dabei keineswegs alles schlecht oder teuer oder gar beides sein muß, was sich in allernächster Arena-Nähe befindet, beweist zum Beispiel die durchaus bodenständige Trattoria Tre Marchetti an der gleichnamigen Gasse zwischen der via Mazzini und der via Anfiteatro. Sehr viel weiter von der Arena und vom Arenarummel entfernt, nämlich unmittelbar bei San Zeno Maggiore, liegt eine andere, gleichfalls auf die herzhafte Veroneser

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