Gebrauchsanweisung für den Gardasee
Bellavista aus. Dem größten Handicap Peschieras aber entkommt man auch hier nicht: Mitten durch den Ort (und direkt am Bellavista vorbei) verläuft die hier am Südende vom frühen Vormittag bis in die späten Nachtstunden befahrene Seeuferstraße.
Auf eben dieser kehren wir Peschiera nun den Rücken und erreichen bald Sirmione. Über dessen meist oktoberfestvolle Altstadt und die angeblichen Thermen des Catull haben wir im neunten Kapitel eher schlechte Nachrichten verbreitet. Hier nun zwei gute: Am späten Abend leert sich selbst Sirmione; dann strahlt das historische Zentrum dieser Ministadt tatsächlich jenen Zauber aus, den ihm alle Reiseführer bescheinigen. Und, das beste daran: Selbst wenn man an sommerlichen Wochenenden fast bis Mitternacht auf diesen magischen Moment warten muß, so läßt sich diese Zeit doch aufs angenehmste überbrücken. Natürlich, mit einem wunderbaren Abendessen. Dafür bietet sich in Sirmione – auch wenn man es angesichts der Dominanz des Massentourismus nicht erwartet – gleich eine ganze Reihe von Gelegenheiten: so das mittlerweile berühmte und ziemlich edle Signori, untergebracht im Hotel Flaminia an der gleichnamigen Piazza oder, nicht weit davon, das wesentlich preisgünstigere Al Torcol (in der via San Salvatore): Das sieht nicht nur wie eine echte Osteria aus, hier wird auch osteriamäßig rustikal gekocht; und weil eine Weinhandlung angeschlossen ist, kann man die vielen im Hinterland gedeihenden Weine auch glasweise bestellen und verkosten.
Unser Favorit in Sirmione aber ist das am alten Scaligerkastell gelegene La Rucola. Früher war das einmal eine ordinäre Pizzeria; mittlerweile haben Gionata Bignotti und seine Frau Elena ein großzügig modern eingerichtetes Lokal daraus gemacht, in dessen Küche erfreulich viel Phantasie waltet. Nachprüfen läßt sich das an den Pastagerichten (zum Beispiel den Safrantagliolini mit Entenleber und Ricotta) ebenso wie an den Fischgerichten (etwa den in einer Ei-Kräutermischung panierten Rotbarbenfilets mit Zitronenmayonnaise). Eine Spezialität des Hauses, die man keinesfalls versäumen sollte, ist der Spieß mit Robiola (ein Frischkäse aus Kuh- und Ziegenmilch) und Birnen, rotem Zwiebelpüree und Sternanis. Üppig ist dabei nur der Einfallsreichtum, nicht aber die Kalorienmenge, weshalb man sich zum Schluß getrost noch Elenas heiße Schokolade mit Zimteis schmecken lassen kann.
Von der allerkleinsten geht’s nun in die mit Abstand größte Stadt am See: nach Desenzano. Im Vergleich zu allen anderen Uferorten des Gardasees geht es hier denn auch geradezu urban zu; auch das Erscheinungsbild der Innenstadt ist mit seinen zahlreichen und stets zahlreich belebten Straßen und Gassen vorwiegend von Desenzanos Funktion als Handelszentrum und Warenumschlagplatz geprägt. Großzügig auch die lange Seepromenade mit ihren vielen Restaurants und Cafés. Nur an Dienstagen ändert sich das Bild: Dann werden nicht nur die Ufer-, sondern auch die angrenzenden Innenstadtstraßen und
-plätze von einem riesigen Wochenmarkt in Anspruch genommen.
Für die, die in Desenzano gut essen wollen, gilt allerdings die Devise: Weg vom See! Anders als in Sirmione bewahrheitet sich hier wieder die alte Regel: Die besten Restaurants findet man da, wo man sie am wenigsten vermutet. Unser, und nicht nur unser lokaler Favorit treibt es in dieser Hinsicht besonders weit: Das Esplanade versteckt sich in einem öden Plattenbau, der eher nach Ostberlin vor 1989 aussieht als nach Gardasee. Aber es gehört zu den ersten Restaurants am See, die es (1991) sogar zur Ehre eines Michelin-Sterns brachten – und den hat es bis heute behalten. Fans leben und sterben für die – natürlich selbstgemachten – Tagliolini mit Zucchiniblüten und Austernsauce. Hübsch häßlich auch die Einrichtung, doch wer zum Fenster rausschaut, guckt immerhin auf Sirmione.
Ein schöner Geheimtip für überraschungsbereite und genußsüchtige Desenzanobesucher liegt gar nicht in Desenzano, sondern führt uns ein letztes Mal vorübergehend weg vom See. Man braucht, wenn man sich im Gewirr der Zubringerstraßen nicht verfährt (die Chancen hierfür stehen allerdings gut), mit dem Auto allenfalls eine Viertelstunde von Desenzano ins südöstlich davon gelegene Bergstädtchen Lonato – und dennoch tut sich hier, zu Füßen der hohen und darum schon von weitem sichtbaren mittelalterlichen Torre Maestra, des sehenswerten Stadtpalastes Casa del Podestà und eines von einer fast
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