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Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Titel: Gebrauchsanweisung für den Gardasee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Stephan
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Mussolini zur Flucht Richtung Schweiz nötigten, während der er aber von Partisanen aufgegriffen, erschossen und anschließend auch noch an den Füßen aufgehängt wurde.
    Fast alle, die nach Salò kommen, und erst recht alle, die über Salò schreiben, reden bis heute von Mussolini. Eben deswegen müssen wir das nicht auch noch tun. Daß man in dieser Seegegend an Mussolini nicht vorbeikommt, haben wir ja schon im achten Kapitel, anläßlich unseres Besuchs in Gardone bemerkt. Doch was einen da verfolgt, ist nicht nur heute, es war schon damals bloß ein jämmerliches Gespenst. Daß die Wahl auf Salò fiel – nicht einmal Mussolini selbst, sondern seine ihrerseits auch schon dem Untergang entgegengehenden deutschen Verbündeten hatten sie getroffen – entsprang ausschließlich militärischen Überlegungen: Es gab im Herbst 1944 nicht mehr viele Orte in Italien, die einerseits nicht in unmittelbarer Reichweite der Richtung Brenner vorrückenden Alliierten lagen, und an denen der Phantomstaatschef Mussolini andererseits der deutschen Rückzugsbewegung nicht störend im Wege war.
    Das bedeutet aber auch: In Wahrheit hat die Geschichte von Mussolinis letzten Tagen mit dem Gardasee so gut wie nichts zu tun. Das gilt, trotz einiger Idioten, die heute noch oder heute wieder eine Art von (sich aber sehr in Grenzen haltendem) Mussolini- und Mussolini-Gedenkstätten-Tourismus betreiben, auch für Salò selbst. Spürbarere, schlimmere Folgen für die Stadt hat das schwere Erdbeben von 1901 gehabt, das die Innenstadt und die angrenzenden Wohngebiete mit einem Schlag in ein riesiges Trümmerfeld verwandelte. Stehengeblieben beziehungsweise erfolgreich renoviert wurden immerhin einige sehenswerte historische Gebäude wie der von außen völlig unscheinbare, aber im Inneren um so eindrucksvollere Dom. Noch krasser der Kontrast zwischen nichtssagender Fassade und imposanter Innenansicht im Fall der unweit des alten Stadttors in eine Häuserzeile eingeklemmten Kirche San Giovanni decollato mit ihrem durch die Gewölbearchitektur geradezu theaterhaft in Szene gesetzten Altarbilds des Renaissancemalers Zenon Veronese.
    Im übrigen haben die Leute von Salò das Beste aus der Erdbebenkatastrophe von 1901 zu machen versucht, indem sie ihre Stadt nicht nur rasch wiederaufbauten, sondern bei dieser Gelegenheit – auch die meisten Uferhäuser waren dem Beben zum Opfer gefallen – die längste Seepromenade weit und breit errichteten, den sich über die gesamte Nordseite der Bucht von Salò hinziehenden Lungolago Zanardelli. Recht mondän geht’s hier zuweilen zu, zuweilen auch nur einfach bürgerlich entspannt, und zwischen vielen Läden und fast ebenso vielen Ufercafés findet sich hier auch eine Anzahl von Restaurants, die, ob teuer oder relativ preisgünstig, vor allem eines gemeinsam haben: Ihre Küche ist im besten Fall höchst langweilig. Wer hier gut essen will, dem bleibt also nichts anderes übrig: Er muß fort vom Ufer, auch fort aus dem betriebsamen Zentrum. Das La Campagnola liegt oberhalb der Altstadt, nämlich an der oberen der beiden vielbefahrenen Durchgangsstraßen. Aber keine Angst: Nicht nur im gemütlichen Innenraum, auch auf der schönen Gartenterrasse des Hauses bleibt man hinreichend vor Lärm geschützt. Und findet so Muße genug, um sich den höchst trefflichen antipasti und paste und seinen auf der Basis regionaler Produkte und Rezepte zubereiteten Fisch- und Fleischgerichten zu widmen. Das Campagnola ist alles andere als ein Touristenlokal; zu seinen Spezialitäten zählen deswegen auch Innereien – so etwas mag der Italiener halt, und wenn es so exzellent wie hier gemacht wird, frische, perfekt durchgebratene Kalbsleber in Gorgonzola mit karamelisierten Zwiebeln, vielleicht ja auch der Deutsche.
    Vom Campagnola ist es nicht mehr weit bis hinauf zur Gardesana, und auf der erreicht man nun rasch das Ende der Bucht von Salò, an der die Uferstraße noch einmal, und zum letzten Mal während unserer Fahrt um den See, die Richtung ändert. Von nun an geht’s nur noch nordwärts, Richtung Riva, auch Richtung Brenner, Innsbruck, Deutschland. Aber bevor es so weit kommt, wollen wir einen letzten genießerischen Zwischenstopp einlegen. Dies aber nicht in Gardone, das wir zunächst durchfahren, und mit dem wir uns, auch gastronomisch, schon ausgiebig beschäftigt haben, auch nicht in der Doppelstadt Toscolano-Maderno. Zwar verdient zumindest das alte Zentrum von Maderno, gruppiert um die wunderschöne romanische

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