Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder
verreisen am Freitag, keine Wäsche waschen, bringt alles nur Pech, dafür gelingt die Butter, wenn man sie freitags macht.
Spinnt einer am Sonnabendabend , steht der Teufel hinter ihm.
Sonntagskinder sind Glückskinder, die die Gabe besitzen, Geister zu sehen. Und wer in die Hölle will, der kämme sich beim sonntäglichen Gottesdienst die Haare.
Zaubertrank der Hexen laut alten Schriftstücken zur Zeit der Hexenverfolgung :
Zerstoßenen Schlangen, Asseln und Kröten werden Milch und Blut zugemischt. Später kommen Katzenhirn, Viehhaar, Spinnen, Hornissen Kaulquappen und Hundekot dazu.
Heiligendamm
A place to see, but für die, denen ein schnödes Hotelzimmer mit Meerblick reicht, nicht unbedingt a place to stay . Als Heiligendamm sein prachtvoll weißes Gesicht im Jahr 2007 in sämtliche Kameras der ganzen Welt hielt, staunte man über das Antlitz Mecklenburg-Western Pomeranias nicht schlecht. Pompös, mondän, schick und – weiß.
1793 geschah dort etwas, an das später die Mondlandung erinnerte. Ein kleiner Schritt für Herzog Friedrich Franz I., aber ein großer für die badenden Deutschen. Der Herzog hatte sich auf sein Ross geschwungen und ward auf der Suche nach einer geeigneten Badestelle zum Heiligen Damm bei Bad Doberan galoppiert. Dort tauchte er den großen Zeh ins Wasser und entschied: Hier entstehe Deutschlands erstes Seebad . Sein Leibarzt Samuel Gottlieb Vogel hatte ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt, denn Baden in der See galt in manch fortschrittlicher Region Europas längst als heilsam und erquicklich. Warum hat Deutschland noch kein öffentliches Seebad ? , fragte 1792 ein öffentlicher Aufsatz. Ein Jahr später hatte Deutschland dann dank Friedrich Franz I. endlich eines, und damit das auch so aussah wie woanders, ließ der Herzog nach den englischen Vorbildern in Brighton und Bath weiße Häuser in schlichter, zeitloser Eleganz entlang des Heiligen Dammes erbauen. Das klassizistische Gesamtkunstwerk aus Bade- und Logierhäusern lockte Herrschaften an, die in schwarzen, korrekt sitzenden Anzügen, Gehröcken, Schleppkleidern und Spazierstöcken Erholung suchten. Wer in den Gründerjahren zu Besitz gekommen war, versuchte, es der Aristokratie zu zeigen. Als es in den Städten zu dampfen begann, sehnte man sich nach sauberer Luft. Seebäder wurden zu angesagten Urlaubszielen, auch wenn sich der Anfang schwierig gestaltete. Es fehlte an Geld für Badeeinrichtungen, und die, die Geld hatten, glaubten auf die fremden Besucher verzichten zu können. Die Anfahrtswege der fremden Besucher waren noch weniger bequem und unkompliziert als die heutigen, zuweilen undurchdacht wirkenden Verbindungen der Deutschen Bahn. Man schaffte gerade mal 40 Kilometer am Tag, und Achsenbrüche dehnten das Ganze um etliche Stunden mehr. Während Heiligendamm anfangs eintausendfünfhundert Besucher zählte, kamen nach Boltenhagen nur fünfzig. 1870 wurden siebentausend Gäste entlang der gesamten Ostseeküste gezählt. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges waren es schließlich eine viertel Million. Sassnitz, Binz, Warnemünde und Ahlbeck waren die damaligen Spitzenreiter. Deutschlands erstes Seebad erlebte um den Jahrhundertwechsel eine Renaissance. Aus den edlen Anzügen der Gäste sind inzwischen teure Fleecejacken, aus den Spazierstöcken Nordic-Walking-Accessoires geworden, aber die Einheimischen schauen die reichen Fremden noch genauso skeptisch an wie damals.
Hic te laetitia invitat post balnea sanum – Hier lädt dich, nach dem Bade geheilt, die Freude ein. So versprechen noch immer die goldenen Lettern auf dem Kurhaus Heiligendamms, die wieder schön gülden leuchten, seitdem die Kölner Investorengruppe
FUNDUS
1996 die historischen Villen erwarb und ein Grand Hotel erschuf.
Das, was Heiligendamm und allen anderen Seebädern ihren Schick und ihre Mondänität verleiht, das Markenzeichen der Ostseebäder, ist die Bäderarchitektur. Die neue Architektur des Strandhotels entspricht in ihrem billigen Pomp mit zahllosen Türmchen schlechter Zeichnungen, mit ihren ungefühlten Verhältnissen und grausam banalen Ornamenten dem Zustand unserer heutigen Kultur , so empfand es 1905 der Direktor der Kunsthalle Hamburg. Die über sechshundert, oft zwei- bis dreigeschossigen Bädervillen gehören wissenschaftlich keiner spezifischen Stilrichtung oder Baugattung an. Es ist ein wirrer Mix, mit architektonischen Anleihen aus der Schweiz, Russland, China, dem Neobarock, der Neogotik, Neorenaissance, dem Klassizismus,
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