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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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werden Maschinen. So ist das nun mal, wenn man hoch hinaus will, und zwar höher als hoch.
    Der Schirennfahrer Hermann Maier, welcher bezeichnenderweise von seinen Fans den Spitznamen »Herminator« erhielt, ist ein wunderbarer Vertreter des neuen Typus. So wie Androiden menschlich veranlagte Maschinen sind, sind Leute wie Maier maschinell veranlagte Menschen. Wenn man Maier sieht, beim Training, beim Wettkampf, im Gespräch, spürt man eine Kraft, eine auftrumpfende Vitalität, die aber von einem geometrischen System geordnet scheint. Ein künstlicher Sturm, ein intelligenter Sturm. Ja, beinahe ist es so, als seien aus jenen Windkanälen, in welche einst die Klammers und Mosers stiegen, um ihre Schihocke zu verbessern, die Maiers unserer Tage herausgeschlüpft. Deren perfekte Haltung wirkt angeboren, genetisch. Und als würden sie überhaupt nur darum trainieren, um uns, den Zusehern, ein klein wenig das Gefühl von Normalität zu erhalten. So wie Andoriden von einer eigenen Kindheit sprechen, die sie nie erlebt haben. Oder von einer Liebe zu den Menschen, die ja bloß ihrem Programm entspricht.
    Ich sage nicht, Hermann Maier sei ein Roboter des österreichischen Schiverbands (dann schon eher die in diesem Verband agierenden Funktionäre), aber die Person des Hermann Maier mutet im Vergleich zur Bodenständigkeit des »bürgerlichen« Franz Klammer ausgesprochen titanenhaft und auf eine mittelalterliche Weise utopisch an. Dazu paßt jener berühmte Sturz 1998 in Nagano, den Maier im Stile eines unbreakable Bruce Willis unverletzt überstand, um danach Super-G und Riesenslalom zu gewinnen. So wie es paßt, daß ihm nach seinem schweren Motorradunfall ein Comeback gelang, das seinen in Nagano getätigten Ausspruch, mittels des überlebten Sturzes unsterblich geworden zu sein, erneut aufgriff Denn zur Unsterblichkeit gehört – ganz wichtig! – die Unbelehrbarkeit (siehe Götter).
    Ich muß nun erwähnen, daß der bei den Männern eigentlich erfolgreichste österreichische Schifahrer gerne aus dem Bewußtsein der Österreicher verdrängt wird. Erstens wegen seines italienischen Namens und zweitens auf Grund der Tatsache, seine Siege für das Herzogtum Luxemburg eingefahren zu haben: Marc Giradelli, der von seinem Vater frühzeitig aus den Klauen des Österreichischen Skiverbandes befreit wurde. Ehrgeizige Väter im Sport sind zwar auch so eine Sache, aber der ÖSV ist sicherlich der allerschlechteste Ort, um ein junges Herz wachsen und reifen zu lassen. Umso ärgerlicher natürlich, daß es einem Sportler wie Giradelli gelungen ist, außerhalb dieser ÖSV-Kombination aus Höllenfeuer, Kaderschmiede und Selbstbedienungsladen sich derart erfolgreich durchgesetzt zu haben. Eben nicht als Staatskünstler, sondern, man ist verführt zu sagen, als genialer Sonntagsmaler.
    Es ist ganz klar, daß die Volkskrankheit des Schifahrens so schnell nicht geheilt werden kann, schon gar nicht, wenn die Medien im Stil einer Hofberichterstattung die diversen Wettkämpfe zu einer nationalen Sache von höchster Bedeutung machen und aktive wie ehemalige Rennläufer und Rennläuferinnen den Status schillernder Kriegshelden in Friedenszeiten erhalten. Aber als Ausländer, der Sie sind, können Sie das Schitheater natürlich mit einiger Nonchalance und einigem Amüsement betrachten, und wenn Sie selbst auf einem oder zwei Brettern stehen, dann tun Sie das halt bitte mit der gleichen respektvollen Zurückhaltung, wie Sie anderswo einem Voodoo-Ritual beiwohnen, den ungewöhnlichen Klängen einer Pekingoper lauschen oder eine exotische Wasserwelt bestaunen. — Oder gehören Sie vielleicht zu denen, die gleich, wenn sie auf eine Insel kommen, die nächstbeste Palme hochklettern, um eigenhändig eine Kokosnuß zu pflücken? Und zu allem Überfluß selbige auch noch mit einer Machete zu spalten versuchen?
    Wenn ich zuvor einen kleinen Sprung vom Schirennsport zum Autorennsport unternahm und den Namen Lauda erwähnte, so will ich es damit jetzt gut sein lassen. Es gibt Heilige und es gibt Superheilige. Niemand in diesem Land ist so unantastbar wie dieser eine Mann, gleich, was er tut oder unterläßt. Und selbst als der Satiriker, der ich bin, scheitere ich an der Macht seiner Erscheinung. Es gibt Leute, über die darf man nicht einmal lachen. Auch leise nicht.
    Kein Wort mehr über Lauda. Darum möchte ich jetzt nochmals in die Historie ausweichen. Zu Jochen Rindt, wie Beethoven ein Deutscher als Österreicher (so wie umgekehrt Hitler ein

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