Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
schließen, möchte ich noch eine Frau und einen Mann erwähnen, die beide 1947 das Licht der Welt erblickten. Somit 2007 ihren 60er gefeiert haben. Und welche auf höchst unterschiedliche Weise alt geworden sind. Stellt man die beiden gedanklich nebeneinander, so ist das, als würde man einen Film mit Senta Berger neben einer Folge aus der Fernseh-Serie Ein echter Wiener geht nicht unter ablaufen lassen. Es gibt Welten, da geht’s vornehm zu, und es gibt Welten, da geht’s ein bissel laut zu.
Die Zeitschrift Standard untertitelte ihren Geburtstagsartikel auf Ilona Gusenbauer folgendermaßen: »Österreichs letzte Weltrekordlerin wird 60«. Ja, das liegt jetzt eine ganze Weile zurück, daß Frau Gusenbauer, in einem ungeahnt aufregenden »Vorspiel« zum Ländermatch Österreich — Schweden ihren Landsleuten vermittelte, wieviel Freude es bereiten kann, wenn die Latte einer Hochsprunganlage nicht herunterfällt. Zumindest bei einer Höhe von 1 Meter 92, was damals Weltrekord bedeutete. Welcher leider nicht lange hielt — man erinnert sich an eine großgewachsene Feengestalt namens Ulrike Meyfarth, deren Flügel, weil unsichtbar, niemand ahndete. Aber dieser kurzlebige Weltrekord der Ilona Gusenbauer hat innerhalb der Disziplin Österreich bis heute gehalten. Und so ist das nun mal – siehe Cordoba –, daß die »Wunder« ungleich seltener, aber dafür glanzvoller sind, weil sie sehr viel weniger im klebrigen Nebel von Nationenwertungen untergehen (außer beim Schifahren, was sich ja dementsprechend negativ auswirkt). Frau Gusenbauer sprang noch im alten Straddlestil, dem Rollsprung, gewissermaßen Aug in Aug mit der Latte, ein schöner Stil. Während der zu dieser Zeit aufkommende Fosburyflop etwas Diebisches hat, ein Vorbeischwindeln an der Stange darstellt, nicht unelegant, aber hinterlistig. Als würde man die Latte dadurch einschüchtern wollen, daß man ihr die kalte Schulter zeigt.
1 Meter 92. Das also ist unser Weltrekord. Und darum auch hat diese spezielle Höhe — gleich worum es geht, ob um Gartenzäune oder großgewachsene Jünglinge – in diesem Land eine magische Bedeutung. Man könnte sagen, daß Österreicher ungern über diese Größe hinausdenken. Was ja eigentlich sympathisch ist.
Für Leute, die gerne an Nebensächlichkeiten hängen, sei noch erwähnt, daß in besagtem Fußballspiel (Weltrekordspiel also) ein gewisser Hans Ettmayer ab der 60. Minute auf dem Rasen stand. Ein Mann, den in der Mannschaft zu haben später der VfB Stuttgart die Ehre hatte. Eine Ehre, welcher sich bewußt zu sein irgendein Mensch namens Mayer-Vorfelder nicht die Größe besaß.
Der andere große Jubilar, von dem hier die Rede sein soll, ist der zweimalige Europameister im Boxen, einmal im Superleichtgewicht (1967), das andere Mal im Weiter (1969): Hansi Orsolics. Dieser Mann ist bis heute nicht nur eine Legende, sondern noch immer eine Berühmtheit, nämlich gerade dadurch, »versagt« zu haben. Zunächst darum, weil er am Ende seiner nicht allzu langen Karriere statt mit einem Vermögen mit Schulden dagestanden hatte. Dazu kamen der Alkohol sowie eine gewisse Unfähigkeit, das Leben innerhalb des Rings und jenes außerhalb davon richtig auseinanderhalten zu können. Ganz wie man das von vielen Schauspielern kennt, die aus ihren Rollen — zumindest aus der Bedeutung ihrer Rollen – nicht mehr herausfinden. Jemand spielt Mephisto oder wenigstens irgendeinen Tierarzt und kann nicht mehr aufhören, Mephisto oder dieser bestimmte Tierarzt zu sein. Orsolics, geprägt von Eifersucht und dem bei Boxern virulenten Bedürfnis in den Mann zu gehen, eröffnete ein Wirtshaus, was für einen alkohol- und streitsüchtigen Menschen auf eine Konfrontationstherapie hinausläuft. Eine Therapieform, die zunächst zu diversen Gefängnisaufenthalten wegen Körperverletzung führte. Wobei man auch sagen muß, daß offensichtlich einige Leute einen großen Drang verspürten, von einem Mann, der siebzehn Jahre nach Joschi Weidinger Österreich wieder einen Europameistertitel im Boxen beschert hatte, einen Mann, der mit Haansee!-Rufen – als wäre ganz Österreich ein siegestrunkener Gefangenenchor -gefeiert worden war, von einem solchen Heroen also eins auf die Nase zu bekommen. Was ja wirklich etwas für sich hat. Man möchte es spüren, man möchte spüren, wie Gladiatoren — Auserwählte — zuschlagen. Ob sich das anders anspürt, und ob man danach ein anderer ist. All diese Männer, die sich mit Orsolics anlegten, taten
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