Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
sich die Speise ein Stück weit dem Verzehr verweigern. Bei manchen Essern hat man das Gefühl, daß erst die Beilage es ihnen ermöglicht, zum Schnitzel vorzudringen. Sich etwa über den Umweg der viel geschmackvolleren Petersilkartoffel dem Fleisch zu nähern. Darum ist der Salat so wichtig. Leute, die ihr Schnitzel ohne Salat essen, haben etwas Heldisches oder auch Dümmliches. Gleich Kerlen, die mit bloßen Händen gegen einen Tiger kämpfen.
Daneben gibt es auch Leute, die ihr Schnitzel mit Pommes bestellen. Nun, es gibt auch kleine Kinder, die Sand essen und deren Eltern meinen, das sei gut für die Kinder, der Mineralstoffe wegen, selbst wenn der Sand nach Hundepisse riecht.
Ich kann nur empfehlen, anstatt des Wiener Schnitzels das sehr viel leichter und luftiger anmutende Pariser Schnitzel zu ordern, oder aber richtig mutig zu sein und ein massives Cordon Bleu zu bestellen, bei dem das eingemantelte Stück Fleisch seinerseits eine Fremdmasse beherbergt, eine von zwei Käsescheiben flankierte Scheibe Schinken, sodaß sich insgesamt eine schnittenartige Konstruktion ergibt, ein vielfaches Verbergen. Als hätte der Koch einen Liebesbrief tief in das Fleisch gefügt. Oder eine Drohung.
Man kann natürlich auch einfach ein Naturschnitzel bestellen, welches in seinem Saft liegt wie andere in der warmen Lauge ihres Badewassers. Genauso sieht es dann aus. Beim Essen ist die »Natur« eher eine Enttäuschung. Dann schon lieber Blattgold.
Ich weiß nicht, ob man sagen kann, Österreich sei ein Land der Schnitzelesser. Vielmehr fühlen sich die Leute verpflichtet, hin und wieder ein solches zu konsumieren. Wie man am Sonntag in die Kirche geht oder zu bestimmten Anlässen eine Tracht trägt. Aber der Österreicher an sich würde wahrscheinlich auf die Frage, welche drei Speisen er auf eine einsame Insel mitnehmen möchte, nicht das Wiener Schnitzel nennen, so wie er wahrscheinlich auch seine Tracht nicht mitnähme.
Nein, auf dieser einsamen Insel wäre es sicher das beste — um eben die Einsamkeit zu ertragen, vielleicht sogar sie zu schätzen —, sich mit drei Süßspeisen einzudecken, die dem Gestrandeten zwar keinen Rat bieten, aber sehr wohl Trost spenden. Ich würde vorschlagen: gewuzelte Mohnnudeln, Powidltascherln (»aus der schönen Tschechoslowakei«) und gebackenen Holler.
Wer braucht schon Rat, wenn er Trost kriegt?
Das Sonderbare ist in Österreich der Regelfall, nämlich die Tradition, eine exaltierte, eine skulpturale Verhaltensweise an den Tag zu legen. Jeder Österreicher ist ein kleines Denkmal. So wird das Besondere zum Normalen, und man verbindet den Zwang, sich gesellschaftlichen Usancen entsprechend zu verhalten, mit dem Bedürfnis nach Eigentümlichkeit. Die österreichische Verrücktheit bewegt sich somit auf geordneten, reglementierten Bahnen, deren Schienenführung von einer höheren Willkür bestimmt scheint. Als würde über allem eine Majestät walten, die da sagt: »Was verrückt ist, das bestimme ich.«
Neben diesem kollektiven Sonderbaren, existiert aber natürlich auch die Abweichung: das Sonderliche: die Verrücktseinsleistung einzelner Individuen abseits der Schienenführung. Ich meine damit aber keineswegs Leute, die unabhängig von der allgemeinen österreichischen Verrücktheit agierten oder agieren. Vielmehr sind sie aus ihr herausgewachsen, wären ohne sie undenkbar, ohne die Prinzipien Ornament & Größenwahn.
Eins der schönsten Beispiele – und schon dem Namen nach das zentrale — ist die Weltmaschine des Franz Gsellmann, welche sich folgerichtig im österreichischen Herz, also der Steiermark, befindet. Genauer gesagt im oststeirischen Ort Kaag bei Edelsbach. Dort kam Gsellmann 1910 auf die Welt, und dort starb er 1981. Dazwischen baute er in einem Schuppen seines Gehöfts eine mit Motoren ausgestattete, vielteilige, aus Weggeworfenem zusammengesetzte Apparatur, deren Sinn — wie der Name schon sagt – das Funktionieren der Welt ist. Und zwar in der Art der Unruhe einer Uhr. Das ist keine Kleinigkeit, die Welt von einem oststeirischen Ort aus, wo sich Fuchs und Hase noch gute Nacht sagen, in Bewegung zu halten. Herr Gsellmann hat mit augenzwinkernder Bescheidenheit -kein Weltenlenker, sondern ein Weltlenker — die Frage nach der Bedeutung seiner Maschine damit erklärt, daß sie, die Maschine, für irgend etwas schon gut sein werde.
Ich bin übrigens der Überzeugung, daß es sich bei der von Gsellmann so bezeichnenden »Maschin«, die bis heute in bestem
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