Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Zustand gehalten wird, um ein Perpetuum mobile handelt. Die über zwanzig Motoren mögen helfen, den Lärm, der von der Konstruktion ausgeht, das Klingeln und Scheppern und Dröhnen und Brummen, den mächtigen Weltatem, zu verstärken sowie das eine oder andere Lämpchen zum Leuchten zu bringen. Aber die Bewegung des Ganzen stellt ein In-sich-Greifen dar, einen Bewegungshaushalt, ein fröhliches Tanzen und Springen und Drehen (ein Strudeln), welches auf einer Energiezufuhr beruht, die aus dem Nichts hochsteigt. Aber sicher nicht aus diversen Motoren. Diese Maschine treibt die Welt nicht nur an, sondern ist gleichzeitig auch ihr Symbol. Wird sie in Gang gesetzt, ist sie eine beeindruckende Furie, ein zur Megalopolis gewordener Zauberwald, ein explodierender Zeichentrickfilm, eine übervolle Leere, ein Dauerregen von Antworten auf nie gestellte Fragen. Sobald man jedoch die Maschine in ihrem Stillstehen betrachtet, erkennt man, was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält: schlichte, sinnlose Schönheit.
Im Falle von Franz Gsellmanns Weltmaschine setzt sich diese Schönheit aus grell bemalten Rädern und Röhren, aus Uhren und Lampen, aus heiligem Kitsch und heiligem Müll zusammen, aus diszipliniertem Gedränge und drängender Materie. Alles und jedes hat seinen Platz und seine Berechtigung. Und es ist mehr als bloß kunsthistorischer Eifer, wenn die Erben und heutigen Betreiber der Apparatur bei der Instandhaltung darauf achten, originale Ersatzteile einzusetzen. So sehr es glücklichen Zufällen zu verdanken gewesen sein mag, welche Fundstücke Franz Gsellmann im Laufe seines Lebens aufgetrieben hat, um sie in seine Maschine zu integrieren, so prägend und unumstößlich sind die Folgen dieser Zufälle. Und darum werden Gäste und Interessierte gerne gebeten, passende Teile zur Verfügung zu stellen, mitunter spezielle Lämpchen, aber auch mal eine ganze Madonnenstatuette mit sieben in Rosen gebetteten Glühbirnen und fünf in Kerzenform. Oder eine Spielzeugrakete mit der Aufschrift »United States«.
Ich behaupte sicher nicht, daß Gsellmanns Maschine als einzige die Welt in Gang hält. Weder besteht sie seit Anbeginn der Zeit, noch ist sie ständig in Betrieb. Aber darum geht es nicht. Es geht um Zeichen und Gleichnisse. Ohne diese Zeichen und Gleichnisse hätte die Welt kein Gesicht, sie wäre tatsächlich so leer, wie mancher sie empfindet.
Es sollte noch erwähnt werden, daß nahe dem Schuppen, in dem die Weltmaschine wie ein ewiger Embryo hockt, auch ein Verkaufsshop geführt wird, in welchem Produkte der Umgebung angeboten werden. Darunter steirisches Kürbiskernöl, welches ganz sicher das beste, gesündeste und eigenwilligste Speiseöl ist, das sich denken läßt. Sie sollten es aber nicht an einen schnöden Salat verschwenden, sondern auf ein »unbehandeltes« Stück Brot tröpfeln. Wenn ich etwas bedaure, dann die Unmöglichkeit, aus diesen Kürbiskernen Whisky herzustellen. Jedenfalls halte ich es für ein Muß, daß, wenn jemand Österreich wieder verläßt, er neben Mannerschnitten, Schwedenbomben, einer Flasche, gefüllt mit Wiener Hochquellwasser (also Leitungswasser), auch frisches steirisches Kürbiskernöl in seinem Gepäck mit sich führt. Und wenn selbiges aus dem Dunstkreis der Weltmaschine stammt, umso besser.
Gewissermaßen als radikales Gegenstück zu der in tiefster Provinz stehenden, barocken Weltmaschine, die ein Mann errichtete, der sein Leben als Bauer zugebracht hat, fungiert ein Gebäude in der Wiener Kundmanngasse, eine Villa, die dann passenderweise als Wittgenstein-Haus in die Geschichte einging. Weniger, weil dieses Haus allein von Wittgenstein entworfen worden war (der Architekt Paul Engelmann hat ganz sicher einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet), sondern da der berühmte Name in perfekter Weise für eine hausgewordene Denkleistung steht. Für eine stichhaltige Reduktion des Möglichen auf das Möglichste. Ja, eigentlich könnte man dieses Gebäude als ein Vorwort zur Welt bezeichnen. Eine Einführung, die den Rest überflüssig erscheinen läßt, so wie ja auch der Epilog zu Wittgensteins philosophischem Hammer, dem Tractatus, dazu verführt, sich mit dem eigentlichen Text gar nicht mehr beschäftigen zu wollen.
Und in der Tat schrieb Wittgenstein an Ludwig von Ficker, den Herausgeber der Zeitschrift Brenner, welcher das fingerbreite Jahrhundertwerk ebenfalls nicht publizierte: »Ich würde Ihnen nun empfehlen, das Vorwort und den Schluß zu lesen, da diese den Sinn
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