Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Österreich flattern.
Wie schon im Falle der Palatschinken (kommt über ungarisch-rumänische Umwege vom lateinischen placenta, also Kuchen) möchte ich von salzigen Strudeln abraten, so gut sie schmecken mögen, etwa mit weißen Bohnen oder Blattspinat. Aber eine bestimmte Sache sollte in einer bestimmten Sphäre verbleiben. Pudel sind Schoßtiere und keine Kampfhunde. Und zum Strudel paßt nun mal das Süße eindeutig besser. Apfel oder Topfen oder Rhabarber oder Mohn. Ein süßer Strudel besitzt eine Aura, ein salziger nicht. Und man muß nicht das Shining besitzen, um das zu erkennen.
Ebensowenig braucht man das Shining, um bereits aus größerer Entfernung zu begreifen, daß es sich bei dem würfelförmigen Objekt mit knallrosa Zuckersturz um eine extreme Süßigkeit handeln muß: den Punschkrapfen. Ich bringe diesen kleinen Kubus — aus Biskuitteig, Marmelade und Schokolade gezimmert, mit ausreichend Rum vollgesogen und einer den Blick einfangenden Außenschicht in Mannerrosa – vor allem mit den Aida-Lokalen in Verbindung, einer in Wien ansässigen Konditoreikette. Wahrscheinlich des Rosas wegen, in das auch die Damen gekleidet sind, die in den Aida-Lokalen servieren, und welches ja, das Rosa, sowieso die österreichischste aller Farben darstellt, praktisch zwischen dem Grün der Wälder und dem Sepia der Abgründe. Rosa ist eine dekorative Farbe, eine Farbe, die aber immer ein wenig verunreinigt anmutet, jedoch in der Art, wie man sagen kann, Schnaps sei verunreinigter Alkohol.
Heutzutage, wo immer mehr Wiener Kaffeehäuser den Eindruck einer Kopie oder Karikatur vermitteln, kann ich nur empfehlen, »eine Aida« aufzusuchen. Diese Lokale besitzen den Charme von Miederboutiquen, verwenden für ihren Kaffee mild geröstete Arabicabohnen, kredenzen eine gediegene Palette von Süß- und Mehlspeisen (ohne aber in die aufgeregte Draperiekunst von Konditoreiweltmeistern zu verfallen), und man kann dort auf ein gutes Publikum treffen, Leute, die sich weit weniger professoral oder bohemienhaft gerieren als im Kaffeehaus. In die Aida geht man tatsächlich der Torten und Kuchen und Golatschen wegen, sicher auch, um zu tratschen, aber kaum um der Selbstdarstellung willen. Was nicht zuletzt mit den Damen in Rosa Zusammenhängen dürfte, die auf eine unspektakuläre Weise elegant, aber auch ein wenig streng, ja dominant anmuten, ähnlich den Verkäuferinnen in Palmers-Geschäften. Diese Strenge kommt nicht unfreundlich daher, aber sie beeindruckt, sie führt dazu, daß selbst die Lautstarken sich zurücknehmen. Die Aida-Damen sind gleich souveränen Flugbegleiterinnen, die ihre Kunden zu bedienen wissen, gleichwohl keinen Spaß verstehen, wenn es um die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen geht. Anschnallen heißt anschnallen. Nicht zuletzt beim Flug durch die Welt der Mehlspeisen. Zudem suggeriert diese Strenge eine Beherrschung des Schicksals. Mit solchen Stewardessen kann es keinen Absturz geben. (Umso erstaunlicher die bekanntermaßen schlechte Bezahlung der Aida-Damen. Man hat manchmal das Gefühl, als hätten nicht wenige Unternehmer eine Freude daran, die Götter zu provozieren.)
Im Kaffeehaus hingegen ist man des öfteren mit Kellnern konfrontiert, die ganz eindeutig der dunklen Seite der Macht angehören. Natürlich gibt es Ausnahmen – es gibt auch weiße Krokodile und alle heilige Zeiten Schnee in Jerusalem –, doch der klassische Kaffeehauskellner wurde erfunden, um den Gast auf die Probe zu stellen. Wieviel er sich gefallen läßt. Der Kaffeehausgast braucht sich nicht anzuschnallen, braucht keine Regeln einzuhalten, kann seine Show abziehen, ob er jedoch bedient wird – sofort oder später oder gar nicht –, steht auf einem anderen Blatt. Hängt nun mal von den Kellnern und Obern ab, die das Prinzip der Willkür vertreten, so, wie man es aus der Bürokratie kennt. Und wie auch in der Bürokratie, ist es ein großer Irrtum, zu meinen, es gebe ein exaktes Verfahren, die Kellner (verwandt mit Richtern, Polizisten und Sprechstundenhilfen) durch ein bestimmtes Auftreten und Benehmen für sich einnehmen zu können. Kellner sind immun gegen Verführung. Sie bewegen sich in höheren Sphären, wie einst Lehrer, wenn sie die Notengebung von der eigenen Laune abhängig machten. Viele Menschen, die ins Kaffeehaus gehen, schätzen genau diese Unabwägbarkeit, die ihnen als aufregend und stimulierend erscheint. Kaffeehausgehen ist eine Abenteuersportart für Bewegungsunfreudige.
Wer aber das Service und die
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