Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Maschine, und bei Maschinen stellt sich immer die Frage, ob sie unsere Freunde sind oder nicht. Ich glaube nicht, daß der Fernseher unser Freund ist. Und darum ist es wohl ein Glück zu nennen, daß wir neuerdings über Computer verfügen, welche ganz sicher Weiterführungen des Biedermeiers darstellen. Bewegte Miniaturen. Der Computer beschert uns eine Intimität, einen Extraraum, der von einem höchstpersönlichen Mobiliar bestimmt wird. Der Computer ist ein Ornament, das es in der Regel gut mit uns meint. Und man kann nur hoffen, daß dies auch so bleibt.
Um das österreichische Wesen zu verstehen, ist es sicher von Vorteil, ein Museum aufzusuchen, in welchem Kunstwerke des Biedermeiers ausgestellt sind. Waldmüllers vom Sommer verwöhnte Landschaften, seine lichtdurchtränkten bäuerlichen Figuren, die stille Größe der Frauengestalten, die Magie der rotbackigen Kindergesichter, die pyramidal aufgebauten Gruppen, der warme Wind, der durch die Gemälde weht, die edle Haltung der Gestalten in Momenten der Trauer und des Verlusts, aber auch des Überschwangs — all diese Bilder stecken in den Köpfen der Österreicher. Und auch wenn wir uns tausend Mal an den Tourismus und die Handyindustrie verkauft haben und alles zu Tode renovieren, was sich nur zu Tode renovieren läßt, so erfüllt uns dennoch ein tiefes Bedürfnis nach der Beständigkeit der Waldmüllerschen Figuren. Darin besteht die Tragik des Österreichers. Er erlebt seine
Verkitschung bei vollem Bewußtsein. Seine Vertrottelung dank Schischaukelkrankheit und Hansi Hinterseer (daß wir die Deutschen in diese Vertrottelung massiv einbeziehen, entspricht der schlichten Bösartigkeit von jemandem, der nicht alleine untergehen möchte). Wir sehen in den Tod und blicken uns gleichzeitig nach dem Leben um. Wir wollen das Geld heiraten und uns gleich wieder davon scheiden lassen.
Nehmen wir nur ein Bild von Waldmüller, etwa Heimkehrende Mutter mit ihren Kindern von 1863: Eine Bauersfrau, offenkundig erschöpft von der Arbeit, im Türrahmen stehend, die eine Hand gegen den Rahmen gestützt, die andere auf das eigene Knie. Dennoch scheint sie zu lächeln. Das Lächeln ist das Ornament ihrer Würde. Hinter ihr das Licht eines ganzen Tages, eine Lichtkonzentration. Drei Kinder umringen sie, flehend, bittend. Man könnte sich vorstellen: hungrig. Die Frau trägt am Rücken eine Bütte gefüllt mit Heu. Oben auf dem Heu thronend, aus dem Behältnis blickend, steht das kleinste der Kinder, ein Engel in seinem Nest, fröhlich und unschuldig, wie Dreijährige nun mal sind. Es ist die einzige Figur, die uns, die Betrachter des Bildes, ansieht. Ja, das Kind schaut tatsächlich aus dem Bild heraus. Es tut etwas ganz Merkwürdiges: Es schenkt uns Trost, uns, die wir wahrscheinlich einigermaßen satt und sicher nicht barfuß wie die heimkehrende Mutter vor diesem Bild stehen. Der Trost verbindet uns ganz direkt mit dem Bild. Das Kind grüßt uns, und wir grüßen zurück.
Trost ist eine der erfreulichsten Beweise für große Kunst.
Und da muß ich natürlich hinüber zu Adalbert Stifter schwenken, der in diesem Land den Nimbus eines Schutzheiligen besitzt. Seine Bücher sind Wegbegleiter. Etwa so wie eine Packung Mannerschnitten, die ein Spaziergeher für alle sichtbar mit sich führt. Auch ein Buch von Stifter kann auf diese Weise getragen und gehalten werden. Allein dies bedeutet bereits Trost, das Buch bei sich zu wissen. Erst recht natürlich, in diesen Büchern zu lesen, denen es gelingt, die Leser von sich selbst zu befreien. Nicht durch brachiale Ablenkung oder Kraftakte der Sprache. Eher in der Art, wie ein verschrecktes Tier mittels eines liebvollen Tons dazu verführt wird, sein Versteck zu verlassen. Wir lesen Stifter und stehen plötzlich im Freien. Und dieses Freie ist nicht nur die Natur, und es ist nicht nur hell und gut und freundlich, aber es läßt uns in jedem Fall aufatmen. Und es vermittelt uns eine Ordnung, über die man nicht zu diskutieren braucht, weil sie ohne Alternativen bleibt. Mitunter fühlt man sich besser ohne Alternative, ohne Möglichkeiten der Abzweigung und Abkürzung. Was bringt es denn, eine Stunde früher sein Ziel zu erreichen, um dann dazustehen mit dem merkwürdigen Gefühl des Verlustes? Dem Gefühl, etwas nicht gesehen, etwas nicht erlebt zu haben und statt dessen trottelhaft in diesem Ziel herumzustehen. Stifter verkürzt nichts, aber er macht den Himmel auch nicht breiter, als er ist. Seine Worte vermitteln eine Glorie,
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