Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Auf-den-Punkt-Bringungen.
Vor allem nachdem 1986 der Psychiater 8c Bildhauer Johann Feilacher die Nachfolge Navratils antrat und im Stile eines Galeristen und Agenten eine Professionalisierung »seiner« Künstler vornahm, sind diese Teil der Kunstwelt. – Das hat etwas für sich, nämlich die mitunter großartigen Werke frei von einer Krankengeschichte zu betrachten (tatsächlich ist für den Rezipienten die eigene Krankengeschichte viel wichtiger als die des Künstlers), andererseits entsteht der Eindruck einer für das »moderne Österreich« typischen Kommerzialisierung, einer Veredelung des Edlen mittels internationaler Aufmerksamkeit. Wäre es irgendwie möglich, würde man die Kunstwerke auf den Mond schicken, um sie quasi mittels der Entfernung wertvoller und bedeutender zu machen.
Gugging ist zwar nicht der Mond, aber auch ganz nett. Darum hat man im Bereich des Anstaltsgeländes ein Art / Brut Center errichtet, schon wieder so ein Weltmittelpunkt, ein Museum, das wie ein Stock arbeitet, mit dem man den Rest der Welt kratzen kann. Wobei auch noch ein Zentrum im Zentrum existiert, welches von einem gar herrlichen Raucherbereich gebildet wird, einem hohen, hellen Raum, in dem das Rauchen nicht nur erlaubt ist, sondern selbst den Charakter des Künstlerischen oder Kunstvollen gewinnt. Man kann leidenschaftlichen Rauchern nur empfehlen, dieses Museum aufzusuchen, um solcherart in den Genuß zu kommen, sich als wesentlich und wertvoll zu empfinden.
In bezug auf die ausgestellte Kunst jedoch habe ich das Gefühl, als würde der museale Raum — bei aller Intimität — ihr den eigentlichen Charme nehmen, ihre Einmaligkeit unterwandern. Plötzlich sind die Arbeiten der sogenannten guging classics halt Dinger, die man entweder ins Museum steckt oder nach Ubersee verkauft. Als handle es sich um seltene Skelette.
Aber kann man etwas gegen ein Museum sagen? Ist ein Museum nicht immer per se gut?
So wie eine Universität per se gut ist. Ein solche, ein Institute of Science and Technology Austria (was nach Kutteln in Weißweinsauce klingt, zwischen denen jemand einen Goldschatz versteckt hat), entsteht soeben auf dem Gelände der in Pension geschickten Nervenheilstätte. Eine Eliteuni statt eines Guglhupfs. Zukünftige Wissenschaftsgrößen und Spitzenverdiener statt offizieller Irrer. Natürlich, irgendwo müssen auch Eliteuniversitäten stehen, und man könnte die Meinung vertreten, daß grandiose Studenten zum grandiosen Denken eine schöne Umgebung sehr viel nötiger haben als Geisteskranke, die ja wohl in der Lage sein müßten, Umgebungen welcher Art auch immer zu imaginieren. Gleichzeitig hat das Liebäugeln des offiziellen und halboffiziellen Österreich mit einem »internationalen Flair« seine traurig-peinlichen Seiten. Nicht, weil es schlecht ist, in die Welt hinauszusehen oder die Welt ins Land zu holen. Aber man tut es auf eine merkwürdig devote Weise. Während man einerseits eine Wir-sind-wir-Geste zum besten gibt, verkauft man sich, wo man nur kann.
Dieses Uni-statt-Irrenhaus-Manöver ist für mich da bloß ein Symbol. Denn auch in Österreich hat ein deprimierender Kampf um das Errichten von Eliten begonnen. Trotz einer beachtlichen Tradition in Fragen gleichberechtigter Schulbildung hat sich das Land voll in den Weltkrieg der Klassen gestürzt. Und wie so oft bei Kriegen, ohne wirklichen Anlaß, ohne echte Notwendigkeit.
Doch zurück zur heiligen Kunst und den Guggingkünstlern. Einer von ihnen war der Schriftsteller Edmund Mach, von dem das berühmte Gedicht Das Sehen Dr. Waldheims im Armenhause stammt und dessen Kunst es war, den Dingen in aller Deutlichkeit zu begegnen (sodaß der Außenstehende sich fragen muß, wie verrückt man eigentlich sein muß, um klar sehen zu können). Von Mach — welcher 1929 geboren wurde, aber nach eigener Aussage bereits 1915 aus einem Schatten heraus elternlos auf die Welt kam – stammen stupende Formulierungen wie Die Hochzeit ist rar und rund / meistens von Zuschauern umsäumt / dann kommt das Paar / es sieht blaß aus oder Im Mai blüht die Rose / im September hört sie auf / mittlerweise hat sie viel gesehen / in ihrer Art erkenntlich auch. Nicht zuletzt Machs Charakterisierungen der Ärzte wie der Patienten lassen ein Durchschauen erkennen, als hätte Mach über ein ganz spezielles Mikroskop verfügt. Der Humor, der sich bei alldem herausstellt, erscheint wie die Ur-Suppe des Lebens, als sei im Kern alles ein Witz, ein Witz, aus dem Ernst wurde.
Von den
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