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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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Zentrum von, sagen wir, Leipzig schlendern.
    Ich habe es versucht: Im sächsischen Restaurant wurde ich tatsächlich drei Mal gefragt, ob ich noch etwas wünsche. In der Bäckerei wurde mir freundlich der Unterschied zwischen Dinkel- und Buchweizenmehl erklärt. Im Café erhielt ich auf meine Frage, ob im Cappuccino ein doppelter Espresso sei, eine ausführliche Erläuterung des Mischverhältnisses sämtlicher Kaffeegetränke statt der mir vertrauten Antwort »Steht doch dran!« – Mir taten vom Lächeln die Mundwinkel weh …

Militär und Natur
    Der Krieg ist gut! Er ruft aus feigem Schlummer/Den trägen Weichling auf/Er lohnt Verdienst, und schafft er manchen Kummer/Löst er auch manchen auf.
    (Aus: »Lob des Krieges«, Carl Christoph Johann von Knesebeck)
    Wie Sie schon ahnen, hat Brandenburg keine anspruchsvolle Natur. Sie ist nicht spektakulär. Keine Zweitausender ragen in den Himmel, kein Meer rollt gegen Brandenburgs Ufer. Die Landschaft ist weder besonders lieblich oder rau, noch hält sie dem Vergleich mit der Natur jener Regionen stand, in denen die Menschen gern über ihre Erhabenheit staunen. Es ist noch nicht einmal eine dem Menschen besonders nützliche Natur. Fruchtbare Äcker oder Bodenschätze sind eine Seltenheit.
    Die Braunkohle der Niederlausitz spielte eine Zeit lang eine Rolle, machte das Land aber nicht reich. Im 19. Jahrhundert konnte man eine Weile mit dem Torf punkten, den Lüche und Brüche zur Verfügung stellten, und den vielen Sand nutzte man mancherorts zur Herstellung von Glas oder Ziegeln. Aber nicht einmal der Beelitzer Spargel konnte sich als wichtige Ressource durchsetzen. Natürlich bildet sich jeder echte Brandenburger etwas auf dieses aromatische Frühlingsgemüse ein. (Und verschlingt zwischen April und Juni Unmengen davon.) Die folienbespannten Höcker der Spargelbeete ziehen sich in Potsdam-Mittelmark in endlosen Reihen südwärts. An jeder Ecke bieten von April bis Juni Spargelbuden die gelben Stangen an, sortiert nach Qualität. Auch ich bildete mir lange etwas auf den Beelitzer Spargel ein, obwohl ich als Kind keinen essen konnte. Zu DDR-Zeiten war dieses sagenumwobene Gemüse allein dadurch geadelt, dass es ausschließlich für den Export bestimmt war. Hätten meine Eltern in ihrem Garten nicht selber ein paar magere, halb grüne Stänglein angepflanzt, hätte ich noch nicht einmal ein Bild von ihm gehabt. Ich war so lange von der internationalen Durchschlagskraft des Beelitzer Spargels überzeugt, bis mir ein Taxifahrer in Stuttgart erklärte, der beste Spargel Deutschlands käme aus irgendeinem Kaff in der Nähe von Karlsruhe. Von Beelitz hatte er noch nie gehört. Ich habe den schwäbischen Spargel übrigens probiert. Vergessen Sie’s! Diese von fetter Erde vollgesogenen, dicken, schmatzigen weißen Säulen können mit der tänzerischen Aura und der milden Süße eines vom luftig lockeren Sandboden genährten, goldenen Asparagus, der leicht auf der Zunge liegt, überhaupt nicht mithalten!
    Herbe Angriffe, die aufs Selbstbild zielen, erleben die Brandenburger immer wieder. Sie haben sich daran gewöhnt. Sie kümmern sich nicht weiter drum und sind über Jahrhunderte hinweg zu ästhetischen Minimalisten geworden. Sie wissen, dass Brandenburg, nüchtern betrachtet, nichts als flaches Land ist. Sie wissen, dass von einem flachen Land gewöhnlich nicht viel erwartet wird. Es ist unsexy. Gelbgrüne Ödnis. Eine Fläche, die weniger zum Beschauen, als zum drüber Hinwegschauen geeignet ist. »So viel Horizont« ist die euphemistische Version, eine solche Landschaft zu beschreiben, ergänzt um den »weiten Himmel« oder den »offenen Blick«. Es gibt andere, weniger freundliche Versionen, in denen der Eindruck der Ödnis hervorgehoben werden soll. In ihnen ist die Rede vom platten Land. Während beim flachen Land die Bodenbeschaffenheit der Ebene immer noch mit gemeint sein könnte, lässt sich in der Äußerung, man fahre aufs platte Land, die Geringschätzung nicht mehr überhören. Die Brandenburger wissen das. Sie kennen die opulenten Erwartungen, die die Leute jenseits der Landesgrenzen gewöhnlich an die Natur haben. Sie wissen, dass ihre Schönheitsvorstellungen auch aus den eigenen Reihen angegriffen werden, und sie lieben ihre froschreichen Teiche und staubtrockenen Waldwege nur umso mehr. Sie begeistern sich am Kargen.
    Die Begeisterung des Kurfürsten Georg Wilhelm hielt sich in Grenzen. Er gehörte zu denen, die den märkischen Teil seiner Besitztümer als

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