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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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Friedrich Wilhelms Führung überrumpelten sie die Schweden in Rathenow, schlugen sie in Fehrbellin in die Flucht, töteten die Hälfte der schwedischen Soldaten und vertrieben die andere Hälfte über das zugefrorene Kurische Haff, sodass 1697 auch in Pommern oder auf Rügen kein Schwede mehr zu sehen war. Damit hatten sie ein deutliches Zeichen gesetzt: Mit einem brandenburgischen Kurfürstentum, das eine militärische Großmacht geschlagen hatte, war zukünftig zu rechnen.
    Den Schwung dieses Sieges nutzte der Sohn des Großen Kurfürsten (Friedrich III.), um sich die Krone auf das seit der Kindheit geplagte Haupt zu setzen. Mit dieser selbstbemächtigenden Geste eines körperlich eingeschränkten Menschen entstand das Königreich Preußen. Preußens Glanz, Preußens Grausamkeit und Preußens Hybris führt dieser selbst ernannte König Friedrich (nach der Krönung Friedrich I.) in einer Person schillernd vor. Hier zeigt sich, dass sich in jedem Anfang oft schon das Ende verbirgt. Von Friedrich I. hat sich nur der Mythos vom prunksüchtigen, verschwenderischen Herrscher erhalten. Auch er hatte noch keine zündende Idee, was mit so einem plattgemachten Landstrich anzufangen war. Der »schiefe Fritz« verstand aber die Pein dieser Landschaft. Er hob sie in den Stand eines Königreichs und ließ sie dann in Ruhe. Er selbst war seit der Kindheit öfter plattgemacht worden; von einem körperlich gebrechlichen Knaben war nicht viel zu erwarten. Man steckte ihn wegen seiner Verwachsung in Korsette. Man setzte ihn auf Streckbänke statt aufs Pferd. Sein Vater konnte den Schwächling nicht leiden und bevorzugte den starken, schönen, mutigen Bruder, und Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel, die einzige Person neben seiner Mutter, die ihn der Überlieferung nach je hatte leiden können, starb vier Jahre nach der Hochzeit. Mit Sophie-Charlotte von Braunschweig-Hannover zeugte der »schiefe Fritz« allerdings den Soldatenkönig. Und leitete damit eine Entwicklung in die Wege, die der Große Kurfürst (Friedrich Wilhelm) angestoßen hatte: die Aufrüstung der ländlichen märkischen Gefilde zur militärischen Großmacht.
    Man erkannte jetzt langsam, was aus diesem Flachland herauszuholen war. Man begriff, wie gut sich die sandigen Brachen als Manöver- und Schlachtfelder großer Heere eigneten, wie schnell aus kleinen Siedlungen große Garnisonen werden konnten. Man schoss, ritt und exerzierte nach Herzenslust, so viel Weite wollte erst einmal erobert sein. Und schon war die Natur nicht mehr sinnlos: sie brachte zwar nichts Nützliches hervor, konnte aber umso rücksichtsloser unter militärischen Drill gestellt werden. Der preußische Adler faltete seine Schwingen über dem Land auf, und darunter mauserte sich Preußen im 18. Jahrhundert zur Großmacht. Der Soldatenkönig vergrößerte die Armee von vierzig- auf achtzigtausend Mann. Ausschließlich aus dem Adel rekrutierte er seine Offiziere, die – da sie dem König nacheifern wollten – ihre blauen Uniformen bald auch zum Essen und Schlafen nicht mehr ablegten. Das preußische Blau überzog die Landschaft. Preußen sei nicht ein Staat mit einer Armee, befanden damalige Zeitgenossen, sondern eine Armee mit einem Staat. Garnisonsstädte wie Neuruppin oder Rheinsberg entstanden, aber auch Perleberg, Schwedt, Jüterbog, Brandenburg oder kleinere Orte wie Nauen und Beeskow nahmen im Laufe der Zeit preußische Regimenter auf. Potsdam wurde noch 1854 von Alexander von Humboldt als »öde Kasernenstadt« bezeichnet. Ließ der Soldatenkönig seine Langen Kerls im Potsdamer Lustgarten exerzieren, nutzte sein Sohn Friedrich der Große (Friedrich II.) Ackerflächen wie das Bornstedter Feld, die aufgrund der damals praktizierten Dreifelderwirtschaft gerade brachlagen, als Exerzierplätze.
    Mit der Gründung des preußischen Militärstaates jedenfalls bürgerte es sich in Brandenburg ein, die schönsten Wälder, die freiesten Ebenen, die grünsten Wiesen zu nutzen, um das Handwerk des Kämpfens und Tötens zu trainieren. Sogar mir erschien es als Kind selbstverständlich, dass in einem Großteil des Waldes das Betreten verboten war und jeder Spaziergang schnell vor einem Stacheldrahtzaun endete. Ich war daran gewöhnt, bei Ausflügen aufs Land aufgehalten zu werden, weil eine Kolonne mit fünfzig Armeefahrzeugen der Nationalen Volksarmee die Landstraße versperrte. Ich fand es normal, auf holprigen Plattenwegen Fahrrad zu fahren, über die gelegentlich Panzerfahrzeuge rollten,

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