Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
Vom Netzwerk:
plattes Land bezeichnet hätten. Er regierte im frühen 17. Jahrhundert. Auch sein Land wurde in die Wirren des Dreißigjährigen Krieges hineingezogen. Während die Schlachten tobten, saß er im fernen Königsberg und sah desinteressiert zu, wie seine »Streusandbüchse« verwüstet wurde. Es schien sich für ihn nicht zu lohnen, sie zu verteidigen. Vielleicht war es ihm auch zu aufwendig. Im flachen Sand- und Sumpfland der Mark gab es kein Gebirge und kein Meer, das ihm als natürlicher Schutzwall die Verteidigung erleichtert hätte. Die Dänen fielen in die Mark ein. Daraufhin zogen die Truppen des Habsburger Kaisers unter Wallensteins Führung mit vierzigtausend Mann durchs Land, um dem dänischen König die Stirn zu bieten. Auch Polen drohte mit Krieg. Georg Wilhelm zog weiterhin die Ferne vor. Er machte nur noch einen schwachen Versuch, sein Land zu retten, indem er seine Schwester vorschob. Maria Eleonora von Brandenburg wurde mit Gustav II. Adolf von Schweden vermählt, einem der mächtigsten Herrscher und bedrohlichsten Gegner jener Zeit, der versuchte, in Europa ein großes baltisches Reich zu errichten. Aber Gustav Adolf sah seine Frau nicht als Unterpfand für den Frieden. Er liebte sie. Er wollte ihr Heimatland kennenlernen, und da der Tourismus damals nur eine untergeordnete Rolle spielte, tat er das, was er gewohnt war: Er besetzte zunächst einmal sein Reiseziel. Wie er das machte, kann man sich jährlich in Wittstock beim Schwedenspektakel ansehen, einem Event, das vor allem Pyrotechnikern und Kostümbildnern aus der Region Arbeit verschafft.
    Für die ausgeprägte Schwedenliebe vieler Brandenburger heute wird diese jahrzehntelange schwedische Besatzungszeit nicht ausschlaggebend gewesen sein. Auch dass schon einmal eine Botschaft aus Schweden ins Brandenburgische gedrungen war, weiß so gut wie niemand mehr. Der erste Vorstoß aus skandinavischer Richtung liegt zwanzigtausend Jahre zurück, ist aber noch an den roten Pflastersteinen alter Dorfstraßen oder an den Markgrafensteinen ablesbar, Findlinge in den Rauener Bergen bei Fürstenwalde. Diese Granitbrocken wurden in der Weichseleiszeit mit dem Inlandeis herangeschoben, das aus Schweden kam. Am südlichen Ende der Norddeutschen Tiefebene blieb das Eis stehen und furchte bei seinem Rückzug drei perfekte Urstromtäler in Brandenburgs Boden.
    Ich vermute, dass die Schwedenliebe der Brandenburger auf die Gestalt von Christina, Eleonoras und Gustavs Tochter, zurückzuführen ist. Diese strahlende, für ihre Intelligenz und Unangepasstheit berühmte Königin der Schweden, die sogenannte »Pallas des Nordens«, die die Künste und die Wissenschaften förderte und ein eigenwilliges, freies Dasein führte, macht vor, was aus uns hätte werden können, hätte unsere Mutter rechtzeitig einen Schweden kennengelernt. Christina von Schweden ist zur Hälfte Brandenburgerin.
    Ein so schillerndes Schicksal war jedoch, wie man weiß, den meisten unserer Vorfahren nicht beschieden. Statt um Kunst ging es allzu oft ums schiere Überleben. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden die Bauernhöfe geplündert und gebrandschatzt. Wer nicht in der Schlacht fiel oder von Seuchen und Hungersnöten dahingerafft wurde, den pressten die durchziehenden Regimenter aus. Das Kurfürstentum wurde zwischen dem 17. und dem 18. Jahrhundert um die Hälfte seiner Bevölkerung und die Hälfte des bebauten Landes dezimiert. Die Stadt Schwedt beispielsweise wurde zweiunddreißigmal überfallen und ausgeraubt. Erst der Große Kurfürst (Friedrich Wilhelm) kam auf die Idee, dass man sich mit einem eigenen Heer der Feinde erwehren könne. Also stampfte er in Frankfurt/Oder eines aus dem ausgebluteten Boden. Aber er war noch ungeübt und geriet immer wieder an die falschen Koalitionspartner. Er war eingequetscht zwischen den im Norden und in Pommern lagernden Schweden und dem Habsburger Kaiser im Süden, während im Südwesten Ludwig XIV. darauf spekulierte, dass die flache Mark bald so endgültig plattgemacht wäre, dass sie ihm von selber zufallen würde. Der französische König mobilisierte die vom Zweiten Nordischen Krieg erschöpften Schweden, die 1674 erneut in die Mark einfielen, und marschierte selbst in Richtung Brandenburg los.
    Die Märker mögen im Allgemeinen schwer in die Gänge kommen. Aber wenn sie einmal in Bewegung geraten, sind sie zähe Durchhalter. Damals kämpften sie so lange, bis der Blick zum Horizont nicht mehr von Feinden verstellt war. Unter

Weitere Kostenlose Bücher