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Gebrauchsanweisung für Südengland

Gebrauchsanweisung für Südengland

Titel: Gebrauchsanweisung für Südengland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Kößling
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Strand mit Blick auf den Sonnenuntergang. Das ist dolce vita à la England.
    Womit wir beim nächsten Thema wären: Dient die Küste doch nicht nur der Versorgung mit Fisch und anderem Meeresgetier, sondern auch und vor allem der Erholung des alltagsmüden
    Städters.
    Entlang der gesamten Küsten von Südengland reiht sich ein Seebad ans andere. Dazwischen liegen Strände und Buchten, die fast alle auch einen Parkplatz mit Meeresblick haben. Aus unerfindlichen Gründen gehört es zu einer der Lieblingsbeschäftigungen älterer Engländer, mit ihren Autos so dicht wie möglich ans Meer zu fahren, eventuell das Fenster herunter zu kurbeln, und im Anblick der Dünung Sandwiches zu essen, Tee zu trinken, Kreuzworträtsel zu lösen, Pullover für die Enkel oder den nächsten Basar zu stricken, und zu schlafen. Paul Theroux, ein Amerikaner, der 1982 rund um Großbritannien wanderte, um das Land, in dem er seit elf Jahren lebte, besser kennenzulernen, fand diese Art des nationalen Zeitvertreibs sehr befremdlich:
    »Ich bin nie an diesen alten Leuten, die sich keinen Meter von ihren Autos entfernt haben, vorbeigekommen, ohne zu denken, daß sie alle auf ihre Weise auf Godot warteten.«
    Natürlich könnte man sich mit seinem Picknick auch an den Strand setzen. Aber es ist nicht zu leugnen: Das Auto bietet gewisse Standortvorteile. Der Tee bleibt warm, man selber auch, der nächste Regenguß läßt den Meeresbetrachter nur wohlig erschauern, und Sandwiches, Eier und Tomaten lassen sich ohne Sand- und Fliegenbeilage verzehren.
    In einem englischen Seebad wird ganz offensichtlich, was man schon immer vermutet hat: Engländer reden zwar gerne übers Wetter, aber wenn es um ihre Kleidung geht, ignorieren sie es schlicht und ergreifend, genauso wie Zentralheizungen als unsportlich gelten und allenfalls der Verweichlichung der Menschheit dienen.
     
     
     
     
    Deutsche Freunde machten vor kurzem einen Ausflug in ein englisches Seebad. Obwohl es Anfang August war, pfiff ein heftiger Wind. Dunkelgraue Wolkenberge jagten über den Himmel. Die beiden waren entsprechend eingepackt und trotzten in Pulli, Windjacke und festen Schuhen den Launen der Elemente. Ein Blick auf den Strand genügte, um sie fröstelnd erschaudern zu lassen: Auf einem Foto hätte ein mit dem englischen Wesen und Wetter nicht vertrauter Mensch die Temperaturen auf 28 bis 30 Grad Celsius geschätzt und dem Meer die Qualitäten der Karibik zugesprochen. Auf der esplanade promenierten eisschleckende Engländer in Shorts und mit Tatoos, die Frauen an ihrer Seite trugen Sonnentops mit Spaghettiträgern über kurzen Röckchen, die Augen hinter Sonnenbrillen versteckt. Am Strand tummelten sich Erwachsene und Kinder in Badesachen, bauten Sandburgen und warfen sich kreischend in die graugrünen Wogen. Schließlich hat man Ferien und keine Garantie, daß das Wetter mal anders wird.
     
     
     
     
    Der Inbegriff des englischen Seebads ist Brighton. Ihr Image als Kur- und Seebad verdankt die Stadt dem Arzt Richard Russell, der in seinem 1750 erschienenen Buch empfahl, Meerwasser nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich gegen Drüsenkrankheiten anzuwenden. Die feine Gesellschaft hörte den Ruf und verwandelte das alte Fischerdorf in ein Modebad. Als 1783 der 21jährige Prince of Wales, der spätere George IV, nach Brighton kam, hatte das Seebad endgültig Ruf und Namen. Der junge Mann war kein Kind von Traurigkeit und ein Trendsetter in Modefragen. Seiner Liebe zu der bürgerlichen Maria Anna Fitzherbert, die er heimlich heiratete, und seinem Spleen für Chinoiserie und romantischverklärter Architektur verdankt Brighton einige ungewöhnliche Bauwerke, deren charakteristische Elemente als Regency-Stil in die Geschichte eingingen. Alle vorherigen Extravaganzen Georges wurden noch überboten vom Royal Pavilion, der zwischen 1815 und 1822 unter der Leitung des Architekten John Nash entstand. Bereits 1805 hatte sich George von dem berühmten Gartenarchitekten Humphrey Repton einen indischen Pavillon entwerfen lassen – war Indien bei den Romantikern doch der Inbegriff von Nostalgie. Überall trifft man heute noch auf die Spuren jener Zeit, die Plätze, Arkaden und prachtvolle Villen hinterlassen hat.
    Und dann sind da noch die Piers, die weit ins Meer hineinragen, auf ihren Rücken finden sich Vergnügungsmöglichkeiten aller Art. Peter Sager sieht in diesen Piers den Beweis für die englische Lust, »möglichst weit auf dem Wasser noch festen Boden unter den Füßen zu

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