Gebrauchsanweisung für Südengland
Allerdings schrecken manche vor dieser Köstlichkeit zurück: Die maximal zweieinhalb Zentimeter langen Tiere ißt man mit Stumpf und Stiel.
An der englischen Südküste gibt es immer noch zahlreiche malerische Fischereihäfen, wo die Fischerboote Spezialitäten ans Land bringen. Da die meisten Engländer den Fisch nicht zu würdigen wissen, geht der Fang zum größten Teil in Länder wie Spanien und Frankreich. Rick Stein schüttelt vor Verzweiflung den Kopf.
Whitstable ist der Ort, um einheimische Austern zu essen. Das wußten schon die alten Römer. Oder whelks (Wellhornschnecken), die im tiefen Wasser in speziellen Netzen gefangen werden – in Meereswasser gekocht und von geübten whelk - Pulerinnen aus der Schale gezogen eine Delikatesse.
Das Auslaufen der Fischerflotte von Hastings ist ein besonderes Spektakel. Die Boote liegen auf dem Kieselstrand, umgeben von windschiefen Hütten, Netzen und Bojen. Eine breite, schwarze Gummimatte führt hinunter zum Strand, um das Laufen auf den Kieselsteinen zu erleichtern. Früher schnallten sich Südküstenbewohner übrigens spezielle Strandschuhe unter, den nordischen Schneeschuhen nicht unähnlich, um auf den Kieseln voranzukommen. Auf Ankern sitzen Möwen, alte Plastikfahnen flattern im Wind, dazwischen stehen Eimer mit Schmieröl.
Der Stadtrat von Hastings strebte jahrelang an, diesen Teil des Strandes, als »Stade« bekannt, für die Touristen herzurichten und die Fischer zu verbannen. Zum Glück ohne Erfolg. Denn die Fischer fanden heraus, daß ihnen zur Zeit der Spanischen Armada im 16. Jahrhundert für diesen Strandabschnitt ein Arbeitsrecht eingeräumt worden war. Und diese Verordnung hat auch 400 Jahre später ihre Gültigkeit noch nicht verloren. Jetzt stehen die Hütten unter Denkmalschutz, und Hastings ist stolz auf seine Fischerkolonie.
Das Meer, das das West Country umarmt, ist gefährlich, die Arbeit der Fischer hart. Der Tidenhub im Bristol Channel, mit bis zu zwölf Metern einer der höchsten der Welt, verursacht heimtückische Strömungen und verschiebt Sandbänke praktisch über Nacht. Die zerklüfteten Klippen von Nord-Devon und Cornwall ragen weit ins tobende Meer hinaus. Trotzdem wagen sich Fischer in ihren kleinen Booten, die der Urkraft des Wassers kaum etwas entgegenzusetzen haben, täglich aufs neue hinaus. Immer mühsamer wird es, dem Meer seine Schätze abzuringen. Die Fangpolitik anderer Länder, die ihre Flotten vor die englische Küste schicken, trägt dazu bei. Schließlich hat das Meer hier etwas zu bieten: viele Sorten Fisch werden gefangen, die man eher mit dem Mittelmeer assoziiert. Rotbarbe (red mullet) gehört ebenso dazu wie Heringskönig (John Dory), Dorade (bream) oder sogar Seltenheiten wie der Skorpionfisch, der rund ums Mittelmeer für Fischsuppen verwendet wird.
Zu verdanken ist der Artenreichtum der geographischen Lage des englischen Westens. Der Finger erstreckt sich weit in den Atlantik in Richtung der Bucht von Biskaya. Der warme Golfstrom sorgt für ein angenehmes Klima, und das Meer ist reich an Plankton.
In Fischereihäfen wie Looe, Brixham, Bideford und Plymouth werden die besten Exemplare von Steinbutt (turbot), Seebarsch (sea bass) und Seezunge (Dover Sole) an Land gebracht. Rotbarbe, Ende September/Anfang Oktober vor Land’s End gefangen, ist – laut Rick Stein – der Inbegriff vom Paradies. An der Nordküste von Cornwall gibt es die besten Hummer und in der Nähe von Star Point bei Brixham die beeindruckendsten Krebse. Bis zu 3 kg werden sie schwer und sind, von den King Crabs in Alaska einmal abgesehen, die größten der Welt. Ihrem Geschmack hat ihre Größe keinen Abbruch getan. Natürlich geht es auch eine Nummer kleiner: Während der Sommermonate gibt es überall an der Küste des West Country frische Krebse. Wer will, kann sich sein köstliches Abendessen hart erarbeiten und sich vom Fischhändler nur das dead man’s fingers genannte Gedärm entfernen lassen. Das Krebsfleisch wird zu Hause mit Hilfe spezieller Gabeln herausgepult. Bei den Scheren muß man durchaus ein bißchen Kraft einsetzen, um an das Innenleben zu kommen. Wer zu ungeduldig ist und Appetit hat auf ein Picknick am Meer, kann die Krebse auch bereits ausgenommen kaufen. Das Krebsfleisch wird in der ausgewaschenen Schale fein säuberlich und eßfertig angerichtet. Dressed Crab nennt sich diese Leckerei. Dazu benötigt man einen gut gekühlten Weißwein und etwas Weißbrot. Dann fehlt nur noch ein Stück einsamer
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