Gebrauchsanweisung für Südengland
gibt richtig Wetter. Dann kann sich das Gesicht der Küste in kurzer Zeit dramatisch verändern.
An dieser Stelle sei, zum besseren Verständnis, ein kurzer
Ausflug in die Geologie gestattet. Großbritannien nimmt, geologisch betrachtet, eine Schieflage ein. Der Südosten liegt um einiges tiefer als der Rest. Dort ist das uralte, harte paläozoische Gestein, das im Nordwesten an der Oberfläche liegt, von weichen Ablagerungen überdeckt. An dieser Stelle war England einst mit dem europäischen Festland verbunden. Mit dem Ende der Eiszeit vor 9600 Jahren kam das Wasser zurück und drang in das Gebiet ein, das wir heute als Ärmelkanal kennen. Tausend Jahre später war die Trennung vollzogen. Seitdem nagt das Meer unermüdlich an den Klippen. Die Wellen des Atlantiks stürzen sich mit einem Gewicht von bis zu
30 Tonnen pro Quadratmeter auf die Felsen. Das Wasser dringt in die kleinsten Risse im Gestein. Ablagerungen haben hier keine Chance. Im Solent, der Meerenge zwischen Portsmouth und der Isle of Wight, werden Wellen selten höher als einen knappen Meter. Doch bei weichem Gestein wie Kalk und Lehm können auch die gewaltige Folgen haben.
Freilich hat die Natur keinerlei Respekt vor Landmarken und verschont auch die berühmten weißen Klippen der Südküste nicht vor der Erosion. Übrigens verdanken die Klippen gerade der Erosion ihre Reinheit – wenn nicht ständig die Oberfläche abgetragen würde, wären sie nicht so strahlend weiß.
Vor einigen Jahren stürzten hunderttausende Tonnen der Kalkklippen von Beachy Head ins Meer, der höchsten und spektakulärsten Klippenformation der Südküste, westlich von Eastbourne in East Sussex. Über vier Meilen ragen die Klippen
120 Meter über den Strand. Sie sind ein beliebter Ort für Kletterer, die aufgefordert werden, unbedingt einen Helm zu tragen. Allerdings hat das nichts mit der Erosion und fallenden Gesteinsbrocken zu tun. Die Gefahr droht durch Menschen, die beschlossen haben, sich bei Beachy Head das Leben zu nehmen und ungeachtet der im Kliff hängenden Kletterer in die Tiefe stürzen.
Die Kletterrouten tragen malerisch-dramatische Namen wie
Sunday Sport, The Ghost und Monster Crack. Die Route Aunt Ethel’s Gully fiel leider ebenso wie Croydon Club Route und
Demolition Man einem Landrutsch zum Opfer.
Beachy Head ist jedoch nicht nur wegen der Kletterer und Selbstmörder erwähnenswert. Die Kalkklippen schauen auf eine lange Geschichte als Aussichtspunkt zurück. Seit Anfang des
19. Jahrhunderts werden von hier aus Schiffe gewarnt, die der vorherrschende Südwestwind zu dicht ans Land und die tückischen Felsen getrieben hat.
Spaziergänge zu dicht am Klippenrand können lebensgefährlich werden. Anfang 2001 brachen 160 Meter Klippe zwischen Dover und St. Margaret’s Bay und verschwanden im Ärmelkanal. Zum Glück war das Wetter zu diesem Zeitpunkt so schlecht, daß sich keine Fußgänger auf dem beliebten Spazierweg befanden.
Einige Engländer sehen mit Schrecken, wie das Meer immer mehr Land zerstört und fordern besseren Küstenschutz. Aber English Nature, die Organisation, die die britische Regierung in solchen Dingen berät, und auch der National Trust, dem immerhin viele Kilometer Küste gehören, sind dagegen. Sie wollen der Natur hier nicht ins Handwerk pfuschen. Nicht weit von Beachy Head ist der National Trust sogar ganz konkret betroffen: Ihm gehören drei der sechs Cottages in Birling Cap, die ins Meer zu stürzen drohen.
Experten rechnen damit, daß bis zum Jahre 2080 der Meeresspiegel im Ärmelkanal um 54 cm steigen wird. In den letzten 125 Jahren hat die Südküste jährlich mindestens 75 cm an das Meer verloren.
Die Tage von Birling Cap sind gezählt.
Cricket und andere Ausreden fürs Picknick
It’s a funny kind of month, October. For The really keen cricket fan it’s when you discover that your wife left you in May.
Dennis Norden
Wenn im Sommer in England von Touristen die Rede ist, dann sind damit nicht unbedingt erholungssuchende Reisende aus dem eigenen Land oder aus den Gefilden jenseits des Kanals gemeint. Besucher aus dem Ausland – das stimmt schon eher. Handelt es sich doch um eine Gruppe Sportler aus Australien, den West Indies oder Pakistan, die nach England gekommen sind, um der alten Kolonialmacht zu zeigen, wie man Cricket spielt. Es dauert übrigens mehrere Monate, bis feststeht, wer der Gewinner ist. Auch wenn eigentlich schon alle im voraus wissen, daß ein Wunder geschehen müßte,
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