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Gebrauchsanweisung für Südengland

Gebrauchsanweisung für Südengland

Titel: Gebrauchsanweisung für Südengland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Kößling
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Sinn und Zweck des Spiels ist es, just in dem Moment da zu sein, wenn sich so viele Pennies, die man möglichst nicht alle selbst in die Maschine gefuttert hat, auf der oberen Ebene angesammelt haben, daß sie vom Schuber nach unten und durch eine kleine Öffnung nach draußen in die Gewinnlade befördert werden. Man hat an diesen penny drops schon gutverdienende Menschen beobachten können, die jubelnd 50-Penny-Stücke aus der Gewinnlade zählten.
     
     
     
     
    Obwohl Ramsgate, weiter südlich gelegen, sich eines besseren Klimas rühmt und durch den Fährhafen mit dem Kontinent verbunden ist, unterscheidet es sich nicht wesentlich von seinem Erzrivalen Margate. Da hilft auch nicht, daß Vincent van Gogh und Heinrich Heine hier Station machten und der berühmte präraffaelitische Maler Dante Gabriel Rossetti seine letzte
    Ruhestätte in Ramsgate fand.
    Ganz anders das Örtchen Broadstairs, zwischen Margate und Ramsgate in einer Bucht aus Kalkklippen gelegen, das außer Seebad vor allem Wallfahrtsort für die Fans von Charles Dickens ist, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts seine Ferien in Broadstairs verbrachte. Statt Arkaden findet man hier gepflegte Tea Rooms und Pubs, fast alle dem Gedenken des viktorianischen Schriftstellers gewidmet.
    Wem das Dickens-Museum in seinem alten, inzwischen Bleak House benannten Feriendomizil nicht genug ist, sollte sich alljährlich Anfang Juni in Broadstairs einfinden. Dann kommen Fans aus aller Welt zum Dickens-Festival, das man vielleicht am ehesten mit einer Star-Trek- Convention vergleichen kann. Sieben Tage lang spazieren Alt und Jung in viktorianischer Kleidung durchs Städtchen. Man trifft Mr. Micawber am Strand, Uriah Heep im Pub und Scrooge beim Essen. Und jeder tut so, als sei das das Normalste der Welt.
    Lyme Regis ist ein weiteres Seebad, das eng mit großer englischer Literatur verknüpft ist, ohne allerdings viel Rummel darum zu machen. Ende des 18. Jahrhunderts war das mittelalterliche Fischerdörfchen bei der guten Gesellschaft groß in Mode gekommen. Auch Jane Austen verbrachte hier ihre Ferien und verewigte Lyme Regis in ihrem Roman »Überredung«. Auf der »Parade« genannten Promenade flanierte man damals wie heute zu der mittelalterlichen Mole, auch wenn laut John Fowles
    – Autor des 20. Jahrhunderts und seit vielen Jahren in Lyme Regis zu Hause – die wahren »Lymers« darin nicht mehr sehen als »eine lange Klaue aus altem grauen Mauerstein, die sich ins Meer hinausschiebt«.
    Hundertfünfzig Jahre nach Jane Austen setzte John Fowles in
    »Die Geliebte des französischen Leutnants« Lyme Regis ein weiteres literarisches Denkmal. In diesem Roman erinnert der Autor an zwei weitere Ereignisse, die dem kleinen Hafenort einen Eintrag in die Geschichtsbücher einbrachte: 1685 landete James Scott, Herzog von Monmouth, in Lyme Regis, dessen Anspruch auf den englischen Thron in der unseligen Battle of Segdemoor ein so blutiges Ende fand. Wichtiger noch waren die Fossilienfunde, darunter das 1811 ausgegrabene vollständige Skelett des Ichthyosaurus, die das damalige Weltbild völlig auf den Kopf stellten.
    Die Suche nach fossilen Überresten stellt noch heute ein großes Freizeitvergnügen dar, nicht nur entlang der Dorset-Küste, sondern auch am Fuß der Klippen von West Somerset.
    Bei einem Besuch in Watchet wunderte sich einst Daniel Defoe über die versteinerten Muscheln, die er bei einer Wanderung am Strand fand. Inzwischen sind die Klippen weiter abgebröckelt, doch ansonsten hat sich nicht viel geändert. Warnhinweise fordern »Bitte Klippen nicht nach Fossilien abklopfen«, so daß Kinder und Erwachsene mit gebeugten Rücken und stur auf den Boden gerichtetem Blick den Strand durchkämmen, versunken in Tagträume und der Hoffnung auf den ganz großen Fund vor dem Einsetzen der nächsten Flut. Ab und an hört man einen freudigen Aufschrei, wenn jemand einen devil’s toenail, eine zu dunkelgrauem Stein erstarrte vorsintflutliche Auster, entdeckt hat. Stücke und Abdrücke von Ammoniten verschwinden in Eimerchen, sich ausbeulenden Jackentaschen und im Wind flatternden Plastiktüten. Kaum ein Strandgänger, der sich dieser Faszination entziehen könnte.
    Täglich wird der fossile Schatz wieder aufgefüllt. Kein Wunder, stammen die Versteinerungen doch aus den Klippen, die unaufhörlich vor sich hin bröckeln. Wenn der Wind das Meer nicht zu Wellenbergen aufpeitscht und der Regengott ein Einsehen hat, dann fallen die Brocken etwas langsamer, aber wehe, es

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