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Gebrauchsanweisung für Südengland

Gebrauchsanweisung für Südengland

Titel: Gebrauchsanweisung für Südengland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Kößling
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auf die verpönten EG-Verordnungen aus Brüssel gewesen, aber egal: Endlich bekommt man problemlos frisches Fleisch und Gemüse beim Erzeuger.
    England hat viele Spezialitäten zu bieten, die – wären sie mit einem französischen Namen geadelt – weltweit der Haute Cuisine zugerechnet würden. Bekannt ist die englische Küche vor allem für Bodenständiges wie herzhafte Pasteten und Aufläufe, die unter dem Namen pie zusammengefaßt werden, oder nahrhafte Eintöpfe (stews).
    Einer, der sich der Renaissance der Britischen Küche verschrieben hat, ist Gary Rhodes. Der Mann ist jung und dynamisch, sieht eher aus wie ein Rockstar, und versucht, seinen Landsleuten die traditionellen Gerichte der Insel wieder näherzubringen. Er begann seine Kochkarriere im Castle Hotel in Taunton (ansonsten bekannt für die Spukauftritte des blutrünstigen Richters Judge Jeffreys aus dem 17. Jahrhundert), wo er sich seinen ersten Michelin-Stern erkochte. Zwei weitere Sterne folgten, einer davon in seinem eigenen, hochgelobten Restaurant city rhodes in London.
    Cornish pasty gehört zu den Gerichten, die er zu neuem Leben erwecken will. Diese Pastete wird seit Hunderten von Jahren in Cornwall zubereitet. Im Laufe der Zeit wurde sie auch schon einmal tiddy oggy genannt oder auch hoggen, vorausgesetzt, es fanden sich keine Kartoffeln in dem knusprigen Teigmantel. Egal, wie man die Pastete letztendlich nannte, das Gericht gehörte zu den Grundnahrungsmitteln in Cornwall. In der Vergangenheit war man nicht allzu wählerisch bei der Zusammenstellung des Innenlebens der Pastete: Fleisch, Fisch, Gemüse, Eier oder Obst kamen in den Teigmantel. Manchmal, so sagt Gary Rhodes, war die cornish pasty auf der einen Seite pikant, auf der anderen Seite süß gefüllt. Damit hatte man sämtliche Gänge des Mittagessens in einem Gericht abgedeckt. Heutzutage ist cornish pasty immer noch beliebt, nicht nur in Cornwall. Jedoch beschränkt man sich heute bei der Auswahl der Zutaten auf Rindfleisch, Kartoffeln, Zwiebeln und Rübe. Wichtig ist, daß nichts vorgekocht wird, sondern in rohem Zustand in kleinen Häppchen in den Blätterteig gewickelt wird. Es heißt, daß der Teig so fest gebacken sein mußte, daß er 30 Meter tief in einen Minenschacht geworfen werden konnte, ohne zu brechen. Der Bergarbeiter, der in den Zinnminen Cornwalls ein dunkles und hartes Leben fristete, konnte dann den Teigmantel aufbrechen und sein Mahl genießen.
    Gary Rhodes versichert, daß die Teigkruste bei seinem Rezept garantiert knusprig bleibt, da sei ein Abwurf in Minen oder aus Fenstern zur Überprüfung nicht nötig. Zu einem cornish pasty empfiehlt Gary Rhodes ein Glas cider, der alkoholreichere Verwandte des französischen Cidre, für dessen Produktion Somerset berühmt ist. Schon mancher Tourist, der bei einer Rast in einem der zahlreichen strohgedeckten Pubs im Westen Englands zu einem Glas erfrischenden cider griff, hat sein wahres Wunder erlebt: Bis zu 8 Prozent Alkohol bringen Wanderer schon mal aus dem Tritt, den er bald schon zügig beschleunigen muß, um sich der durchschlagenden Wirkung des Apfelweins in einer der in England so zahlreichen öffentlichen Toiletten zu entledigen.
    Cider wurde traditionell von Bauern hergestellt, die die Äpfel ihrer Obstgärten für den eigenen Gebrauch zu Apfelwein verarbeiteten. Manche Familie verkaufte ihren cider zwar auch an die örtliche Kneipe, doch cidermaking war im Prinzip nicht zum Gelderwerb gedacht. Cider war vor allem für den Verbrauch durch die Farmarbeiter bestimmt, die täglich ca. 2,5 Liter als Teil ihres Wochenlohns erhielten. Diese Tagesration wurde von den großen Fässern in den farm cider houses in Holzfäßchen abgefüllt, die als Flaschen fungierten und im West Country als firkins bekannt sind. Außerdem hatte jeder Arbeiter seinen eigenen Trinknapf aus Kuhhorn.
    Manch einem mögen 2,5 Liter cider pro Tag schon viel erscheinen, auch wenn die Arbeiter während der Ernte hart arbeiten mußten. Aber der Durst der Landarbeiter war damit noch lange nicht gestillt. In der Regel war das Fäßchen bereits mittags nachfüllbereit, wenn besondere Aufgaben anstanden. Gar nicht mehr zu bremsen war der ciderstrom während des Heumachens oder während der Ernte. Da kamen manche Landarbeiter schon auf einen regelmäßigen Verbrauch von neun Litern!
    Tagelöhner erhielten während der Ernte ihren Lohn in cider, Brot und Käse ausgezahlt. Bauern, die selber keinen cider herstellten oder, schlimmer noch, deren cider nicht

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