Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrauchsanweisung für Südengland

Gebrauchsanweisung für Südengland

Titel: Gebrauchsanweisung für Südengland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Kößling
Vom Netzwerk:
Besucher flexibel ist und regelmäßig bei der Kasse nachfragt, stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht.
    Einer der Glücklichen, der regelmäßig nach Glyndebourne kommt, ist Andrew Cooper – wer auch immer dieser Herr ist. Auf seiner persönlichen Website gibt er einen kleinen Einblick in das Leben eines überzeugten Glyndebournefans. Immerhin hat er seit 1977 nicht ein Jahr ausgelassen und mehr Opern gesehen als sein Freund William, obwohl dieser Mitglied der Festival Society ist und er nicht. Sie sehen – es besteht Hoffnung.
    Andrew Cooper behauptet, der wahre Grund, nach Glyndebourne zu kommen, sei die Oper und nicht etwa der Pimm’s, den man nach der Aufführung an der Bar trinkt, oder das idyllisch-bukolische Ambiente. Auf keinen Fall ginge es primär ums Sehen und Gesehen werden. Aber – gewisse Zweifel an der Reihenfolge der Prioritäten seien erlaubt.
    Kaum jemand, dem bei der Erwähnung von Glyndebourne außer Oper nicht spontan noch etwas einfällt: Picknick! Und zwar in Smoking und Abendkleid.
    Glyndebourne – das ist das Ergebnis des Spleens eines reichen Engländers und der englischen Lebensmaxime »Geht nicht, gibt’s nicht«, gepaart mit deutscher Effizienz und Fachwissen. Jeder Pubbesucher im Südwesten Englands wird Ihnen schmunzelnd bestätigen, daß englische Ideen und deutsche Gründlichkeit zusammen eine wunderbare Allianz eingehen und vor allem ein unschlagbares Erfolgsrezept darstellen. Noch heute erzählt man sich in Somerset und Devon die Geschichte von den fantastischen Zeiten, als deutsche POWs (Prisoners of War, Kriegsgefangene) als Landarbeiter auf den malerisch gelegenen, aber wenig ertragreichen Farmen zum Einsatz kamen. Die Deutschen setzten sich erst einmal hin und machten einen Plan, nachdem sie sich die Farm genau angesehen hatten. Dann krempelten sie die Ärmel hoch und setzten den Plan in die Tat um. Und voilà – zum großen Erstaunen der Farmer warfen ihre Höfe auf einmal Erträge ab, von denen sie bis dato nur hatten träumen können. Aber das nur am Rande. Zurück also zur großartigen Erfolgsgeschichte von Glyndebourne in Sussex.
    Es begann mit einem Traum: John Christie hatte 1920 ein Herrenhaus und Ländereien in Glyndebourne geerbt. Damals gab es praktisch keine Opernaufführungen in England. Dem wollte er abhelfen. John begann mit Laienproduktionen im Orgelraum von Glyndebourne, den er für seinen Freund Dr. Lloyd gebaut hatte, damit dieser – hauptberuflich Organist in der Eliteschule Eton – bei seinen Besuchen in Sussex ein adäquates Instrument vorfand.
    Zunächst einmal sollte die Oper Johns Leben auf andere Weise verändern, als er sich das vorgestellt hatte. Er war 48 Jahre alt und überzeugter Junggeselle. Das dachte er jedenfalls, bis er bei einer seiner Produktionen die Berufssängerin Audrey Mildmay traf. Vorbei war es mit dem Junggesellenleben, die beiden heirateten. Was lag bei zwei Opernfans näher, als die Flitterwochen bei den Festspielen in Salzburg und Bayreuth zu verbringen. John kehrte voller Pläne zurück: Ein kleines Theater wollte er bauen, um seinen Produktionen einen professionelleren Rahmen zu geben. Audrey kommentierte sein Vorhaben mit den Worten »Wenn du schon all das Geld ausgibst, John, dann tu es um Himmels willen richtig!« und legte damit das Fundament für den späteren Erfolg. John war weise genug, auf die Worte seiner Frau zu hören, und ließ ein Theater mit 300 Sitzplätzen, einem kleinen Orchestergraben und einer Bühne bauen, die hinsichtlich Lichts und Technik nichts zu wünschen übrig ließ.
    Eher mehr oder weniger aus Zufall geriet er dann an zwei Männer, die seine Träume von professioneller Oper Wahrheit werden lassen konnten. Zwei Deutsche auf der Flucht vor dem Hitler-Regime hatte es nach England verschlagen: Fritz Busch war bis 1933 Leiter der Dresdner Semper-Oper gewesen. Er übernahm den Posten des Dirigenten, sein Landsmann Carl Ebert aus Berlin den des Produzenten. Ihre Zusage hatten sie an die Bedingung geknüpft, künstlerisch freie Hand und die ganze Verantwortung für die Produktionen zu haben. John hatte diesbezüglich keine Bedenken, vorausgesetzt, die beiden mischten sich nicht in die finanziellen Angelegenheiten bei der Festivalplanung ein. Das war sein Metier.
    Am 28. Mai 1934 hob sich erstmals der Vorhang über dem Glyndebourne Festival. Es begann mit »Figaros Hochzeit«. In den zwei Festivalwochen folgten fünf weitere Vorstellungen dieser Produktion sowie sechs Aufführungen von

Weitere Kostenlose Bücher