Gebrauchsanweisung für Südengland
schmeckte, fanden es entsprechend schwierig, Arbeitskräfte zu finden!
Wenn es auch kaum noch Farmer gibt, die ihr eigenes cider house auf dem Hof haben, ist cidermaking in Somerset immer noch von großer Bedeutung. Wer über Land fährt, wird überall Apfelplantagen sehen und an Höfen das Schild »cider-Verkauf« finden. Äpfel stehen im Mittelpunkt von besonderen Festtagen: Im Herbst finden »Apfeltage« statt, bei denen Apfelsorten verkostet und die besten Produkte mit Äpfeln als Zutaten wie Chutneys und Kuchen prämiert werden. Nicht nur in Carhampton, einem kleinen Ort am Rande des Exmoors in Somerset, wird eine Tradition hochgehalten, die sich wassailing nennt. Die Bedeutung von wassail wird im Lexikon als Gruß oder die Sitte erklärt, von Haus zu Haus zu ziehen und den Nachbarn ein gutes neues Jahr zu wünschen (angelsächsisch
»waes hael« = »health be to you« ). Im West Country hat wassail jedoch noch eine weitere Bedeutung: Am 17. Januar trifft man sich im Apfelgarten und trinkt auf eine gute Apfelernte. Ein großes Feuer wird entfacht und ein Sänger stimmt eine Hymne auf den Apfelbaum an.
Darauf ruft die Menge dreimal cheers, Schüsse werden in die Bäume gefeuert. Ein Stück Toast, getränkt in mulled cider (nach einem streng geheimen Rezept gewürzter warmer cider), wird in eine Astgabel gesteckt, um böse Geister abzuhalten. Mulled cider wird dann um die Wurzeln des Apfelbaums gegossen, und schließlich darf sich auch die Menge daran laben. Den Rest der Nacht verbringt man im Pub.
Auch wenn nicht mehr jede Farm ihren eigenen cider macht, ist cidermaking in vielen Fällen immer noch ein Familiengeschäft. Eine Farm, die sich ganz aufs cidermaking spezialisiert hat, ist zum Beispiel Sheppy’s Farm bei Taunton in Somerset. Die Kunst des cider-Machers ist mit der des Winzers zu vergleichen. Damit der cider schmeckt, braucht es spezielle Sorten, die besonders tanninhaltig sind. Die Apfel, die auf Sheppy’s Farm wachsen, tragen Namen wie Kingston Black, Yarlington Mill, Dabinett, Stoke Red und Tremlett’s Bitter. Diese Sorten haben weniger mit den Äpfeln zu tun, die man normalerweise ißt oder zum Kochen und Backen verwendet. Der nächste Verwandte des cider-Apfels ist der wilde Holzapfel. Das Obst ist klein, hart und oft recht unansehnlich. Der Tanningehalt ließe beim normalen Verzehr keine rechte Freude aufkommen. Erst im November sind die Cideräpfel richtig reif. Sie werden nicht gepflückt, sondern vom Boden aufgesammelt. Bei Sheppy’s kommen jährlich 6 Millionen Apfel in die Presse. Aus einer Tonne Äpfel werden ungefähr 450 Liter Apfelsaft gewonnen. Bei der Herstellung des ciders kommt es dann auf die richtige Mischung der Apfelsorten an, um den für jeden Hersteller typischen Geschmack zu erzielen. Wie jeder Winzer hat auch ein cidermaker verschiedene Marken im Angebot, der Geschmack reicht von herb bis süß, von ohne Kohlensäure bis mit Kohlensäure, von weniger bis hochprozentig. Scrumpy ist das Äquivalent zum Federweißen – vermeintlich niedrig im Alkohol, aber bei reichlichem Genuß mit durchaus verheerender Wirkung …
Dem Südwesten Englands ist noch eine andere Spezialität zu verdanken. Oft mit dem Zusatz »Devon« versehen wurde cream tea in die angelsächsische Welt exportiert, doch bekommt man außerhalb des West Country nur eine traurige Kopie des köstlichen Originals.
Tee ist, das hat sich inzwischen wohl überall herumgesprochen, das Nationalgetränk der Briten. Der Reisejournalist Bill Bryson zeigt sich in seinem Buch »Reif für die Insel« sichtlich beeindruckt über das Verhältnis der Engländer zum Tee: »Bis zum heutigen Tag bleibe ich beeindruckt von der Fähigkeit der Briten aller Alters- und sozialen Klassen, dermaßen begeistert auf die Aussicht auf ein heißes Getränk zu reagieren.« Man trinkt Tee klassenübergreifend im ganzen Land zu jeder Tages- und Nachtzeit, auch wenn in den letzten Jahren der Kaffee auf dem Vormarsch ist. Tee gilt als Durstlöscher sowie als Energie- und Wärmespender. Wenn ältere Damen erschöpft vom Einkaufsbummel oder nach dem Durchwandern einer Gartenanlage in einem Tea Room zusammengebrochen sind, kann nur Tee die Lebensgeister wieder erwecken. Der erste Schluck, mit halbgeschlossenen Augen genossen, hat unweigerlich ein genußvolles »Ahhh … es geht eben nichts über eine gute Tasse Tee« zur Folge. Der Kolumnist Robert Lynd philosophierte vor einigen Jahren über die Abhängigkeit seiner Landsleute
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