Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrauchsanweisung für Südengland

Gebrauchsanweisung für Südengland

Titel: Gebrauchsanweisung für Südengland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Kößling
Vom Netzwerk:
sondern mit dem Ziel, als Winzer ernstgenommen zu werden. Aus Deutschland kamen 5.000 Rebstöcke, die gepflanzt und hochgebunden werden mußten. Über 1.300 Pfosten mußten in mühevoller Handarbeit gesetzt und mehrere Kilometer Draht gezogen werden. Und das war erst der Anfang. Kein einfaches Unterfangen, aber Gay Biddlecombe setzte sich durch und am Ende konnte sie in »A Vine Romance« eine Erfolgsgeschichte schreiben. Ihr Wein, St. George’s, wird sogar im House of Commons, dem britischen Unterhaus, getrunken.
    »Viele Leute können sich einfach nicht vorstellen, daß wir hier richtig guten, qualitativ hochwertigen Wein haben«, beschwert sich Derek Pritchard, der in Wootton Courtney am Rande vom Exmoor-Nationalpark immerhin sieben Hektar mit Reben bepflanzt hat, bitterlich bei mir. In der Tat ist für den Laien schwer nachvollziehbar, daß irgendein respektabler Wein bei dem Wind und dem Salzgehalt in der Luft gedeihen kann. Aber wie man bei Derek und den anderen Weinbauern sieht – es geht, und der Wein kann sich sehen lassen. Und trinken.
    Von Dereks Weinberg kann man auf Dunkery Beacon sehen, mit seinen 520 Metern die höchste Erhebung im Exmoor. Angebaut hat Derek u. a. die Weißweinrebe Madeleine Angevine, aber auch Rotwein wie Dornfelder. Nach einem langen Vortrag über den Weinanbau an sich und am Rande vom Exmoor im besonderen bringt mir Derek, der das alles doch recht ernsthaft und professionell betreibt, ein Glas des jungen Rotweins. Das Resultat ist verblüffend. Natürlich hat der Wein noch einige Jahre an Weg vor sich, aber er ist schon jetzt sehr vielversprechend: dunkelrot, samtig, mit einem starken Kirschgeschmack.
    Irgendwann einmal war ich mit dem Auto an Dereks Weinberg vorbeigefahren und mochte meinen Augen nicht trauen. Hier hatte ich garantiert keine Reben erwartet. So war ich neugierig geworden, denn nur so zum Spaß wird kaum jemand mehrere Hektar mit Weinstöcken bepflanzen. Im Internet gab es eine ganze Website, die sich mit englischen Weinbergen beschäftigt, von denen verhältnismäßig viele tatsächlich im Westen Englands liegen. Besagte Website verwies zum Beispiel auf einen North Devon Wine Trail, der recht vielversprechend klang.
    An einem regnerischen Tag Ende Oktober machte ich mich mit dem Computerausdruck der »Weinstraße« über die Brendon Hills auf den Weg Richtung Bampton am südlichen Ende des Exmoor Nationalparks. Erste Station war Oakford Vineyard. Romantisch lag das alte Pfarrhaus oberhalb eines malerischen, verschlafenen Dörfchens. Peter und Susi Rostron, die Besitzer, erwarteten mich schon. Sie waren mindestens ebenso neugierig, wieso um Himmels willen ich denn ausgerechnet von ihnen Informationen über den englischen Weinbau wollte, wie ich, wie man denn bloß in dieser Gegend erfolgreich Wein anbauen könnte. Peter, ehemaliger Offizier der Britischen Armee und als solcher lange in Deutschland stationiert, erwärmte sich aber schnell dafür, einen aufmerksamen Zuhörer vor sich sitzen zu haben, der nicht lange dazu überredet werden mußte, zu einer Wanderung durch die triefenden Reben rund ums Haus aufzubrechen.
    Der Rundgang fiel relativ kurz aus, denn es handelt sich (noch) um einen recht kleinen Weinberg. Es gibt auch noch keinen Wein zum Probieren, denn da die Reben erst vor wenigen Jahren gepflanzt wurden, konnte in diesem Herbst erstmals geerntet werden.
    Peters Weinberg entsprach im Prinzip sämtlichen Vorurteilen über den englischen Weinbau. Malerisch sah ja alles aus, aber ob da mehr dahinter stecken sollte als ein Hobby und Fasanenfutter (diese Vögel lieben Trauben über alles) – das blieb zunächst offen.
    Nun hätte ich mir noch zwei kleinere Vineyards südlich von South Molton ansehen müssen, wenn ich der Route des North Devon Wine Trail gefolgt wäre. Aber angesichts des unfreundlichen Wetters und der Aussicht auf zwei weitere winzige Hobbybetriebe beschloß ich, direkt zum Yearlstone Vineyard südlich von Tiverton zu fahren. Hier sah alles professioneller aus: Ein Hinweisschild führte von der Hauptstraße den Berg hinauf, ein kleines blumenumranktes Häuschen trug den hoffnungsvollen Titel »Shop«, und die Reben standen auf einem richtigen Weinberg. Außerdem waren an jedem Reihenende Schilder befestigt, auf denen man sich über die Weinsorte, die in dieser Reihe wuchs, informieren konnte. Bereits seit 20 Jahren wurde hier Wein angebaut. Damit handelte es sich bei Yearlstone tatsächlich um den ältesten Weinberg Devons. Nur zu sehen war

Weitere Kostenlose Bücher