Gebrochen
gemacht hatte? Dass sein Vater ihn anschaffen schickte?
Kein Wunder, dass er so verschlossen gewesen war. Er hatte sich bestimmt in Grund und Boden geschämt.
Vielleicht hatte ich da aber auch etwas missverstanden?
Noch einmal ließ ich mir die Worte durch den Kopf gehen. Nein, da konnte man nichts missverstehen. Das war sowas von eindeutig.
Wut keimte in mir auf. Wut auf mich, weil ich damals nichts unternommen hatte. Wut auf mich, weil ich auf die anderen gehört hatte, dass er alleine bleiben wollte. Wut auf mich, weil ich eine andere Meinung gehabt und trotzdem nichts unternommen hatte.
Wut auf seinen Vater, dass er ihm das antat.
Wut auf seine Mutter, dass sie es zuließ.
Wut.
Ich sah förmlich rot.
Ich zahlte und stand auf. Ich hatte damals nichts gemacht, doch jetzt würde ich etwas tun und zwar sofort. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass die Stunde von der der Typ – auf den ich auch wütend war – gesprochen hatte, schon um war. Ich sprang in mein Auto und fuhr los, zu der Adresse, die er mir so netter Weise unter die Nase gerieben hatte. Es war eine trostlose, heruntergekommene Gegend, die die perfekte Kulisse für einen Psycho-Thriller gewesen wäre. Vor der angegebenen Nummer hielt ich an. Es war eines der wenigen Häuser, in denen noch Licht brannte. Was nicht hieß, dass es in einem wesentlich besseren Zustand war, als all die anderen Häuser.
Die Wut brodelte noch immer in mir, doch ich stieg noch nicht aus. Was genau wollte ich hier? Leon rausholen schon klar. Aber wie genau?
Ich konnte ihn doch nicht einfach schnappen und …
Hinter mir hielt ein Wagen, zwei Türen gingen auf. Es waren der schmierige Kerl und Leon. Leon ging auf das Haus zu, während sich die Haustür öffnete und der Kerl um das Auto herum ging. Sein Vater sah Leon mit finsterer Miene entgegen, gerade als der Typ Leon eingeholt hatte. Er neigte sich zu seinem Ohr, was Leon innehalten ließ. Er schien ihm etwas zuzuflüstern, doch genau konnte ich es nicht sagen, denn Leon reagierte gar nicht. Dann schlug der Typ ihm auf den Rücken, dass Leon mit einem leisen Schrei in die Knie ging. Mit einer Hand am Boden hielt er kurz inne, bevor er sich aufrichtete. Mein Blick schoss zu seinem Vater, der jetzt lachte.
Meine Wut flammte erneut auf, als ich sah, dass Leons Leid ihn scheinbar köstlich amüsierte. Ich musste mich zurückhalten, um nicht einfach aus dem Auto zu springen. Der schmierige Typ machte mir Angst, mit dem wollte ich es lieber nicht zu tun bekommen. Dieser stieg Gott sei Dank gleich in sein Auto und fuhr los. Ich wartete, bis er um die Kurve war, dann zählte ich bis zehn. Entschlossen öffnete ich die Autotür, dann hielt ich wieder inne. Was wollte ich?
Wie sollte das gehen?
Das lachende Gesicht seines Vaters tauchte vor meinem inneren Auge auf und ich stieg aus. Ich würde hineingehen und Leon mitnehmen. So einfach war das. Schon kurz nach meinem Läuten wurde geöffnet.
„Wo ist Leon?“, fragte ich barsch. Sein Vater schien verblüfft.
„Heute geht nichts mehr. Aber wir können gern einen Termin machen“, erklärte sein Vater, nachdem er sich erstaunlich schnell von seiner Verblüffung erholt hatte. Er trat einen Schritt zurück, machte eine einladende Geste. Als ich den ersten Schritt in das Haus machte, hätte es mir fast den Magen umgedreht. Es stank hier, wie in einem Puff. Zumindest stellte ich es mir so vor. Sein Vater redete weiter, doch ich achtete nicht auf seine Worte.
„Wo ist er?“, wollte ich energisch wissen. Es schien als wäre es eine automatische Geste, als er den Arm hob und auf eine der Türen deutete. Ich ließ seinen Vater einfach stehen, ignorierte, was er mir nachrief. Ich riss die Tür auf und stand in einem Badezimmer. Unter der laufenden Dusche, hinter einem abgewetzten Vorhang, konnte ich einen Schemen erkennen.
„Leon!“, rief ich ungeduldig. Ich wollte so schnell wie möglich wieder hier weg. Das Rauschen verstummte und der Vorhang wurde zur Seite gerissen. Ich wusste nicht, was mich mehr entsetzte, Leons Blick, der sich in den drei Jahren nicht geändert hatte, oder die Tatsache, dass es ihm scheinbar vollkommen egal war, dass er nackt vor mir stand. Er blickte auch gleich wieder zu Boden und ich riss mich zusammen.
„Pack deine Sachen und komm mit“, forderte ich ihn auf. Er zeigte keinerlei Reaktion, kein komischer Blick, kein Nicken, kein Nichts. Er griff einfach nach einem Handtuch, wickelte es sich um die Hüfte und wollte scheinbar das
Weitere Kostenlose Bücher