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Gebrochen

Gebrochen

Titel: Gebrochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeany Lena
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da auf dem Sofa kniete, schicksalsergeben und sich dieses Ding in den Hintern rammen ließ. Dass er es nicht genossen hatte, zeigte schon sein Schrei, wenn nicht sein ganzes Verhalten.
    Ich schob die Bilder zurück und setzte mich an den Tisch, um auf ihn zu warten. Doch er kam nicht, auch nicht, als die Dusche längst verstummt war. Ich stand auf, um nachzusehen. Zusammengerollt lag er auf dem Fussboden, dort wo er geschlafen hatte.
    „Kommst du essen?“, fragte ich leise. Er sprang förmlich auf und kam in die Küche. Wortlos schob ich ihm den Teller mit den Broten hin. Wie schon vor Jahren in der Schule, biss er genüsslich ab, schien jeden Bissen zu genießen. Es trieb mir fast die Tränen in die Augen, als mir endgültig klar wurde, dass sich in seinem Leben nichts geändert hatte.
    Ich hatte mich von meinen Eltern abgekoppelt, wie es normal war, wenn man erwachsen wurde. Ich hatte einen gutbezahlten Job und eine umwerfende Wohnung, die mit Hilfe meiner Eltern finanziert war. Ich war unabhängig und konnte tun und lassen was ich wollte.
    Leon hingegen kam mir wie ein Kind vor, dass es nicht geschafft hatte, sich zu lösen. Nein, dem nicht erlaubt worden war, sich zu lösen. Gnadenlos war er ausgenutzt worden.
    Nach einem Brot hielt Leon inne, legte die Hände in den Schoss.
    „Du kannst essen so viel du willst“, sagte ich. Meine Stimme klang erstickt, das hörte ich selbst. Doch wenigstens griff er nach einem zweiten Brot. Allerdings ließ er davon die Hälfte liegen. Danach legte er wieder die Hände in den Schoss.
    Ich sammelte mich und holte tief Luft. Da es für ihn nicht klar war, musste ich es aussprechen.
    „Leon?“, sprach ich ihn an, doch er reagierte nicht. Trotzdem redete ich weiter: „Du kannst dir immer nehmen, wenn du was willst. Auch wenn ich nicht da bin. Wenn du was möchtest, was nicht da ist, sag´s mir.“
    Das würde er nicht tun. Zumindest nicht in der nächsten Zeit, das war mir klar, aber immerhin wusste er es.
    „Und du musst nichts mehr machen, was du nicht willst. Gar nichts. Egal wer es sagt“, fuhr ich nach einer Pause fort. Leon hob den Kopf und warf mir einen ganz kurzen Blick zu. Viel zu kurz, um ihn zu deuten.
    „Gar nichts“, bekräftigte ich noch einmal.
    Er nickte zaghaft, kaum merklich.
    „Hier, damit du dich nicht aussperrst, falls du raus willst“, fuhr ich fort und schob den Schlüssel, den ich vorher an mich genommen hatte über den Tisch. Wieder ein kaum merkliches Nicken, allerdings griff er nicht danach. Egal. Hauptsache er wusste, dass er hier nicht eingesperrt war. Erleichtert ließ ich mich zurück sinken. Leon saß nach wie vor angespannt da. Es war zum Verzweifeln. Ich sah ihm ganz genau an, dass er hier nicht sitzen wollte, doch er stand nicht auf und ging. Wartete er gar auf die Erlaubnis?
    Nein, er bewegte sich doch noch, stand auf und verschwand. Das verbuchte ich unter Fortschritt und schloss einen Moment die Augen. Ich brauchte ein wenig Ablenkung und da gab es nichts Besseres, als den Fernseher. Ich seufzte schwer und stand auf. Als ich ins Wohnzimmer kam, war Leon auf dem Sofa, die Beine angezogen auf der Sitzfläche, die Arme um sich geschlungen, lag er halb auf der Seite. So wie er am Boden gelegen hatte. Er blickte nicht auf, als ich den Raum betrat. Doch als ich auf das Sofa zuging, spannte sich sein Körper an.
    Das tat weh. Während der Schulzeit hatte er nicht so auf mich reagiert. Doch ich drängte mein Empfinden zurück, das war hier wirklich zweitrangig. Da das Sofa meine liebste Sitzgelegenheit zum Fernsehen war, fragte ich: „Stört es dich, wenn ich mich neben dich setze?“
    Statt eine Antwort zu geben, stand er auf und setzte sich in den Sessel, der zu der Sitzgruppe gehörte. Wieder zog er die Beine an.
    „Willst du was bestimmtes sehen?“, fragte ich, wobei ich nicht mit einer Antwort rechnete. Er schüttelte auch nur den Kopf. Also schaltete ich wahllos einen Sender ein. Stundenlang zappte ich durch die Kanäle. Nichts interessierte mich wirklich, doch ich verbot meinen Gedanken zu rotieren. Ich zwang meine Aufmerksamkeit nur auf das Geschehen auf dem Bildschirm. Allerdings nahm ich trotzdem wahr, dass Leon sich nicht entspannte. Als würde er darauf warten, dass ich jeden Moment über ihn herfallen würde. Es war erst zehn Uhr, als ich es aufgab, mich auf die Handlung konzentrieren zu wollen. Ich stand auf – Leon verspannte sich noch mehr.
    „Ich geh ins Bett. Gute Nacht“, sagte ich ein wenig resigniert. Ohne auf

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