Gebrochene Schwingen
gehofft, daß du mit der Idee einverstanden sein würdest«, sagte er. »Darum habe ich auch gleich einen Termin zur Besichtigung des Hauses ausgemacht. Er ist morgen früh.
Ist das in Ordnung?«
»Ja«, sagte ich und war ein wenig enttäuscht, daß er nicht vorher mit mir darüber gesprochen hatte. Es erinnerte mich zu sehr an Tony. Logan stand unter Tonys Einfluß und versuchte, ihn in jeder Hinsicht zu imitieren. Es beeindruckte mich zwar, wie schnell Logan sich in einen tüchtigen Geschäftsmann verwandelt hatte. Aber es war der sanfte, liebevolle Junge, in den ich mich verliebt hatte, den ich brauchte und vermißte.
Am nächsten Morgen fuhren wir zu Anthony Hasbrouck. Als kleines Mädchen, das in den Willies lebte, hatte er mir keinen Blick gegönnt; er hatte Tom und mich sogar einmal davongejagt, als wir vor dem Tor standen. Jetzt war er der perfekte Gastgeber und führte uns durch das Herrenhaus. Er trug ein schwarzes Samtjackett, schwarze Hosen und leichte Sommerschuhe aus Samt. Er sprach mit einem typischen Südstaatenakzent, dick wie Sirup, und nannte mich
»Heavenly«, anstatt »Heaven«.
»Wir bedanken uns für die Führung, Mr. Hasbrouck«, sagte ich.
»Nennen Sie mich doch Sonny. Alle meine Freunde nennen mich so.«
»Also Sonny«, sagte ich und wandte mich Logan zu. »Wenn wir es nehmen«, flüsterte ich laut genug, daß Mr. Hasbrouck es hören konnte, »dann müssen wir alles erneuern. Es ist ganz schön verfallen.« Ich genoß es, mit meiner Schilderung fortzufahren, wie wundervoll das Haus in meiner Verwahrung werden würde, wie viele neue Teppiche gelegt werden müßten, daß die alte Küche nicht ausreichen würde und all so etwas.
Ich genoß es selten, meinen Reichtum zu zeigen, aber Leuten wie Mr. Hasbrouck gegenüber, die auf uns Casteel-Kinder herabgesehen und die meinem lieben Tom seine Träume verjagt hatten, ihnen gegenüber genoß ich es sehr.
»Und vor allem«, sagte ich, während ich Logans Arm nahm und über das Grundstück lief, »werden wir viel mehr Bedienstete und Gärtner einstellen müssen – ich kann gar nicht glauben, daß man ein altes Anwesen so hat verkommen lassen.«
Mr. Hasbrouck wurde feuerrot. Er zwirbelte nervös an seinem Bart und knirschte mit den Zähnen. Der Gedanke, einer Casteel das Haus verkaufen zu müssen, mußte ihn verrückt machen. Aber Logan hatte mir versichert, daß er das Geld dringend benötigte.
»Sonny«, sagte ich lächelnd, wobei ich versuchte, so charmant wie möglich zu sein, »mir gefällt Ihr Haus, aber ich fürchte, daß der Preis nicht dem Wert entspricht.«
Logan fiel die Kinnlade herunter. Er wirbelte herum. »Aber Heaven, Liebling – «
»Ich nehme an, Ihre hübsche kleine Frau hat recht«, sagte Mr.
Hasbrouck. Sein Gesicht war jetzt so rot wie eine Tomate.
»Heavenly, Sie sind ein harter Verhandlungspartner.«
Sobald wir im Auto saßen, nahm mich Logan in die Arme.
»Ich habe nicht nur die hübscheste Frau in der Stadt, sondern auch die klügste. Ich kann es kaum erwarten, wieder nach Farthy zu kommen. Ich muß Tony erzählen, wie du das hier gehandhabt hast.«
Drei Tage später lud Tony Logan und mich auf einen Willkommensdrink in sein Büro ein, und Logan verkündete die Neuigkeit. »Tony«, begann er, und seine Augen glitzerten vor Stolz und Aufregung, »Heaven und ich haben den ersten, großen Schritt in unserer Ehe getan. Wir haben unser eigenes Haus gekauft.«
Am Anfang konnte ich Tonys Reaktion darauf kaum erkennen. Es war eine Mischung aus Überraschung, Trauer und Einsamkeit. Er sah aus, als hätte man ihm eine Hoffnung genommen.
Zwar sagte er nichts dergleichen, aber ich fühlte, er war nicht glücklich darüber, daß wir das Hasbrouck-Haus gekauft hatten.
Das Haus war zu weit entfernt von seinem; und es gefiel ihm nicht, daß wir ein eigenes Leben führten, das nichts mit Farthy zu tun hatte. Er tat mir leid, denn ich wußte, er hatte Angst vor der Einsamkeit. Vor allem jetzt, wo Jillian weg war.
Die Wochen verstrichen. Während ich eigentlich damit hätte beschäftigt sein sollen, Möbel, Tapeten und Teppiche zu bestellen, konnte ich kaum das Bett verlassen. Ich war ständig müde und fühlte mich irgendwie sonderbar, als ob ich nicht wirklich wüßte, wer ich war und was ich wollte. War es ein Fehler gewesen, das Haus zu kaufen? Warum fühlte ich mich so elend? Ein paarmal fuhr ich nach Boston und besuchte Warenhäuser oder bestellte Sachen für unser neues Haus. Doch jedesmal kam ich erschöpft und
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