Gebrochene Schwingen
ausgelaugt wieder in Farthy an.
»Heaven«, sagte Logan eines Abends nach dem Abendessen, nachdem ich ihm gesagt hatte, daß ich früh zu Bett gehen wollte, »du bist in den letzten Tagen immer so müde. Fehlt dir etwas? Ich hoffe, daß dich dieser Umzug nicht zu sehr anstrengt.«
»Es geht mir gut, Liebling«, murmelte ich.
»Ich möchte, daß du morgen zum Arzt gehst, Heaven. Du bist sonst nämlich nicht so.«
Die Diagnose des Arztes verschlug mir die Sprache.
»Schwanger?«
»Ganz sicher«, sagte er lächelnd.
Es war wundervoll. Warum war ich nicht selbst darauf gekommen? Ich mußte lachen. Natürlich, das erklärte alles.
Ein Kind! Ich hatte immer davon geträumt, eine eigene Familie zu haben, und jetzt würde dieser Traum wahr werden. Oh, ich war so glücklich! Wie würde ich mein eigenes Kind lieben und beschützen! Es würde nie die Angst und die Schmerzen kennenlernen, die meine Geschwister und ich hatten ertragen müssen. Obwohl Logan und ich es nicht wirklich geplant hatten, paßte es ganz genau. Es war der richtige Zeitpunkt für das erste Kind. Wir würden die Fabrik haben, ein neues Haus und jetzt auch noch ein Kind. Die Vaterschaft, so dachte ich, würde Logan wieder so fröhlich und jungenhaft machen wie früher. Es würde ihn von seinem Geschäftspodest wieder auf die Erde zurückbringen.
»Mrs. Stonewall«, sagte der Doktor und brachte mich wieder auf die Erde zurück, »ich werde Sie jetzt untersuchen. Damit wir genau wissen, seit wann Sie schwanger sind.«
Mein Herzschlag setzte einmal aus.
»Es ist wichtig, daß wir das wissen, nur so können wir uns richtig auf die Ankunft des Kindes vorbereiten.«
Vorsichtig und ganz genau untersuchte mich der Doktor.
»Ziehen Sie sich jetzt bitte an und gehen Sie dann in mein Büro hinüber«, sagte er, als er fertig war. »Wir können dort alles besprechen.«
Ich zitterte am ganzen Körper. »Bitte, Dr. Grossman, können Sie mir sagen, wie alt das Kind ist?«
Er sagte es mir.
Mir wurde schwindlig. Das Kind war schon zwei Monate alt.
Zwei Monate. Vor zwei Monaten hatte ich Troy in der Hütte besucht. O mein Gott. Wessen Kind war es? Das Logans…
oder das Troys?
»Mrs. Stonewall, Mrs. Stonewall.« Die Stimme des Arztes brachte mich wieder in das Zimmer zurück. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Oh, bitte verzeihen Sie mir, Herr Doktor«, sagte ich und versuchte, mich wieder zusammenzunehmen. »Mir war nur ein wenig schwindlig. Es kam alles so unerwartet. Ich verstehe einfach nicht, warum ich es nicht selbst merkte. Es hätte mir doch auffallen müssen. Ich war so oft…«
Während ich noch sprach, geleitete er mich aus dem Büro.
Ich war froh, allein auf dem Rücksitz der Limousine zu sitzen.
Die gleiche Angst pochte weiter in meinem Kopf. Von wem war das Kind? Von Logan oder von Troy? Und am schlimmsten war – möge Gott vom Himmel herabsehen und mich strafen –, daß ich nicht einmal wußte, von wem ich es wollte.
Als wir dann das Tor von Farthy erreicht hatten, war mir klar, daß es egal war – ich liebte sie beide. Im Grunde meines Herzens wußte ich, daß Logan das Kind lieben und daß er der beste Vater der Welt sein würde. Auch ich wußte nicht, wer mein richtiger Vater war. Aber der Vater, der mich aufgezogen hatte, Luke, liebte mich nicht so, wie ein Kind geliebt werden mußte. Sollte ich Logan die Wahrheit bekennen? Sollte ich ihm erzählen, daß das Kind von Troy sein könnte, und damit das Risiko auf mich nehmen, daß er unser Kind so behandelte, wie ich behandelt worden war? Nein, das durfte nicht geschehen; das konnte ich dem Kind nicht antun. Wenn ich ihm die Wahrheit erzählte, daß ich nicht wüßte, wessen Kind es sei, dann würde er immer Zweifel haben. Er könnte es nie so lieben, wie wenn er sich sicher wäre. Es wäre Logan gegenüber nicht fair. Außerdem konnte es ja sein Kind sein, es konnte genauso sein Kind sein! Nein, ich beschloß, dieses Geheimnis, wie so viele andere, nie zu verraten.
Logan war gerade in Tonys Büro und telefonierte, als ich vom Doktor zurückkam.
»Könntest du bitte in unsere Zimmer hinaufkommen, Logan?
Ich muß dir etwas erzählen.«
Er hielt den Hörer zu. »Hat das nicht noch eine halbe Stunde Zeit, Heaven? Ich bin gerade mitten in einer wichtigen Verhandlung.«
»Logan Stonewall! In zwei Minuten bist du oben!« befahl ich. »Du bist gerade dabei, den größten Gewinn deines Lebens zu machen!« Schnell drehte ich mich um und verließ das Zimmer, denn ich wollte nicht, daß
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