Gebrochene Versprechen
rollte sich so energisch von ihm weg, dass sie aus dem Bett fiel.
»Vorsicht.«
»Alles gut.« Hannah sprang auf. Sie schämte sich so sehr, dass sie ihn unmöglich ansehen konnte. Also klappte sie ihren Koffer auf und raffte die Klamotten zusammen, die sie am Tag als Verkleidung tragen wollte. Währenddessen spürte sie die ganze Zeit Luthers Blick auf sich lasten.
Mit vollen Händen rannte sie ins Bad, schloss die Tür und lehnte sich zutiefst gedemütigt dagegen.
Jetzt wusste er, dass sie ihn h-e-i-ß fand, heiß. Er besaß nicht nur einen unglaublichen Körper, sondern war auch noch bis ins Mark ein echter Held, der sie die ganze Nacht über im Arm gehalten hatte, als sie es brauchte. Der Mann war ohnehin ganz schön anziehend – ernsthaft, aufrichtig, aber seine Warmherzigkeit toppte alles. Sie machte ihn unwiderstehlich.
Allerdings hätte Luther kaum deutlicher zeigen können, dass er nicht mit ihr zusammen sein wollte. Sicher, er hatte sie im richtigen Moment getröstet, aber etwas in seinem Blick warnte sie, lieber die Finger von ihm zu lassen. Sie nahm an, dass er noch nicht über Veronica hinweg war. Vielleicht fand er Hannah in ihrer Verkleidung auch abstoßend. Oder, noch wahrscheinlicher, er dachte, sie würde eine miserable Partnerin fürs Leben abgeben.
Diese letzte Möglichkeit gefiel ihr am wenigsten, auch wenn das vermutlich der springende Punkt war. Welche Ehefrau machte sich schon ans Ende der Welt auf, um alles für ihre Karriere zu geben, sodass der Mann, den sie liebte, sehen musste, wo er blieb?
Den sie liebte? Oh Mann, wie kam sie denn darauf? Hannah wandte sich jäh der Dusche zu und drehte das heiße Wasser auf. Sie würde keine Sekunde mehr damit verschwenden, über sich und Luther nachzudenken.
Er stand am Fenster, als sie in einem violetten Hosenanzug, der seit zehn Jahren aus der Mode war, ins Zimmer zurückkam. In ihrer Verkleidung als Rebecca Lindstrom fühlte sie sich deutlich weniger verwundbar.
»Ich glaube, wir haben Ernies Geliebte gefunden«, sagte Luther gedehnt und sah sie kurz an.
Sie ging zum Fenster, um hinauszuschauen. Das Magnolia Manor lag auf einem Hügel mit Blick über eine Reihe von Zedern und einen breiten, sich windenden Fluss. Am anderen Ufer stand ein großes, mit Schindeln bedecktes Lagerhaus.
Dazu gehörte eine stattliche Pier, die breit genug war, um Fracht zu laden und zu löschen. Ein halbes Dutzend Männer genoss soeben eine Zigarettenpause in der frühen Morgensonne.
»Das Wasser ist tief genug für Schiffe«, stellte Luther fest. Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Man kann hier Kanus ausleihen«, ergänzte er. »Ich denke, wir sollten eins nehmen.«
»Ja«, sagte sie, erpicht darauf, endlich loszulegen.
Ohne auch nur ein Wort über die Szene nach dem Aufwachen zu verlieren, wandte er sich dem Badezimmer zu.
Hannah begann dankbar, das Bett zu machen. Wenn er ihr Benehmen vergessen konnte, war sie auch dazu in der Lage. Wenn diese anhaltende Sehnsucht doch genauso nachlassen würde.
Luther hatte gerade sein Hemd ausgezogen, da klingelte sein Handy. Er langte vorsichtig in die Gesäßtasche seiner Jeans, darauf bedacht, das Kanu nicht ins Wanken zu bringen.
Am anderen Ende des Paddelboots schirmte Hannah ihre Augen gegen die Mittagssonne ab und sah über die Schulter. Ihr Blick blieb kurz an seiner nackten Brust hängen, dann schaute sie weg.
»Lindstrom.«
»Sie fallen ohne Hemd ziemlich auf, Sir«, sagte Westy gedehnt und verriet Luther damit, dass er ganz in der Nähe war.
»Tja, ist halt heiß«, entgegnete Luther. Nicht nur das, er verspürte auch den absurden Wunsch, Hannah noch einmal so erröten zu sehen wie am Morgen.
Sobald sie ins Kanu gestiegen waren, hatte sie klaglos denPosten der Steuerfrau übernommen. Seit Stunden beobachteten sie vom Fluss aus, was in dem Lagerhaus vor sich ging. Luther hatte sich mit der Wassertemperatur und der Strömung vertraut gemacht. Es konnte sein, dass er heute Abend ans andere Ufer schwimmen müssen würde, um sich alles aus der Nähe anzusehen. Hannah führte das Paddel ebenso geschickt und entschlossen wie alles, was sie anfasste. Sie hatte sich hinter ihre Tarnung zurückgezogen, was ihn gleichermaßen irritierte und auf gefährliche Weise erregte.
»Wo sind Sie?«, fragte er Westy.
»Im Wald. Hundert Meter flussaufwärts. Halten Sie nach einer Socke an einem Zweig Ausschau.«
»Bin gleich da. Ende.« Luther schob das Handy wieder in seine Hosentasche. »Wir müssen mit Westy reden«,
Weitere Kostenlose Bücher