Gebrochene Versprechen
übrigens gerade gefeuert«, fügte er hinzu und umfasste mit kummervoll getrübtem Blick behutsam ihr Gesicht.
»Woher weißt du von der Sache?«
»Meine Leute haben mir Bericht erstattet. Oh, Hannah, es tut mir so leid.«
»Du kannst ja nichts dafür, Onkel Caleb«, beruhigte sie ihn und war gerührt, dass er sich trotz seines großen Arbeitspensums die Zeit nahm, sie besuchen zu kommen. »Wir waren unvorsichtig. Nach Bill Westmorelands Verhaftung dachten wir, nicht mehr so auf der Hut sein zu müssen.«
Newman ließ die Hände sinken. »Sicher habt ihr das, aber leider stimmt das nicht«, sagte er grimmig.
»Was soll das heißen?«
»Du musst sofort mit mir kommen, Hannah«, forderte er sie ebenso eindringlich auf, wie er sie vor drei Jahren angefleht hatte, der CIA den Rücken zu kehren. »Ich fürchte, du bist hier nicht sicher.«
Seine Bestimmtheit weckte neues Unbehagen in ihr. »Aber die Frau, die auf uns geschossen hat, ist gefasst worden.«
»Das hat nichts zu bedeuten. Söldner gibt es im Dutzend billiger«, widersprach Newman ihr. »Westmoreland muss nur mit den Fingern schnippen, und schon meldet sich der nächste Killer und tritt an die Stelle dieser Frau.«
Hannah spürte ein Prickeln auf der Kopfhaut. »Aber was hat Westmoreland denn gegen mich?«, wollte sie wissen, ohne die Feindseligkeit dieses Mannes begreifen zu können.
Newman schien angestrengt nachzudenken. »Also schön, ich sag’s dir«, beschloss er schließlich. »Ich habe mich ein wenig umgehört, Hannah. Das FBI hat es jahrelang geheim gehalten, aber das Flugzeug deines Vaters ist nicht einfach so abgestürzt. Jemand hatte sich am Triebwerk zu schaffen gemacht.«
Die Bedeutung dieser Worte sackte nur langsam zu ihr durch. Die Maschine ihres Vaters war sabotiert worden?
»Westmoreland wusste, dass er der nächste DCI werden würde«, fuhr Newman in ernstem Tonfall fort. »Also hatte er ein Motiv, Alfreds Flieger zum Absturz zu bringen. Und da du die Tochter deines Vaters bist, ist es nur natürlich, auch dich aus dem Weg räumen zu wollen. Und wenn es nur darum geht, dass du ihn nicht mehr verfolgen kannst.«
Hannah fühlte sich wie versteinert. Der Unfall, der sie dermaßen in die Knie gezwungen hatte, war schlussendlich überhaupt keiner gewesen! Ihr Vater war ermordet worden, damit Westmorelands Machthunger gestillt wurde. »Warum hast du mir das nicht früher erzählt?«, flüsterte sie und taumelte entsetzt zurück.
Onkel Caleb gab ihr Halt. »Weil ich dich schützen wollte«, entgegnete er mit Tränen in den Augen. »Jetzt weißt du, warum ich es nicht zulassen konnte, dass du zur CIA gehst.«
Sie nickte benommen. Dort hätte sie für den Mann gearbeitet, der ihre Eltern auf dem Gewissen hatte. Sie musterte das attraktive Gesicht ihres Patenonkels. »Und seit wann weißt du es?«
»Den Verdacht hatte ich von Anfang an«, gab er zurück. »Die Vermutungen des FBI wurden allerdings erst kürzlich, nach Westmorelands Verhaftung, öffentlich. Hannah, du musst mich begleiten«, drängte er sie aufs Neue. »Jetzt sofort. Ich lasse dich auf die Halbinsel Yucat á n ausfliegen. Dort kannst du bleiben, bis das alles hier vorbei ist. Du musst nichts mitnehmen. Ich besorge dir, was immer du benötigst.«
Unentschlossen hielt sie sich an ihm fest. Jetzt sofort? Ohne den Ausgang von Jaguars Prozess abzuwarten? Und ohne sich von Luther zu verabschieden?
Sie konnte Angst in Onkel Calebs Blick erkennen – Angst davor, dass sie ihren Eltern in den Tod folgen würde, wenn sie nun nicht handelte. Tief in ihrem Inneren verspürte sie ebenfalls Angst. Aber sie fürchtete sich nicht davor zu sterben, sondern davor, Luther zu enttäuschen, wenn sie sich selbst wichtiger nahm als seinen selbstlosen Kompromiss. Er war bereit, Zugeständnisse zu machen, sie nicht. Zu lange hatte sie sich nach Freiheit gesehnt, um jetzt noch ihre Pläne über den Haufen zu werfen.
»Also gut«, beschloss sie und zitterte vor Erleichterung und Abscheu darüber, so feige zu sein. »Ich komme mit.«
Komplett verspannt und äußerst frustriert saß Luther im Zeugenstand. Ihn quälten nicht nur der Gedanke an Valentinos Warnung und die Tatsache, Hannah im Krankenhaus allein gelassen zu haben; zu allem Überfluss führte die Befragung durch Jaguars Verteidigerin geradewegs ins Nichts.
Eigentlich hatte er fest damit gerechnet, die im Lagerhaus geschossenen Fotos würden die Verhandlung in die richtigen Bahnen lenken. Doch keine fünf Minuten, nachdem er den
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