Gebrochene Versprechen
nicht erzählt.«
»Hannah wollte nicht, dass ihr Bruder sich Sorgen macht.«
»Das wird dem Chef sicher nicht gefallen«, antwortete Crawford scharf. »Gehen wir!« Mit einem Kopfnicken Richtung Ausgang bedeutete er Luther voranzugehen. »Wie weit ist es zum Krankenhaus?«
»Es liegt quasi direkt vor der Tür. Was ist denn hier eigentlich los?« Er hatte eine böse Vorahnung, sodass sich seine Nackenhaare aufstellten, und blickte sich um, doch Westy war noch nicht wieder im Gerichtssaal erschienen.
»Schnell«, drängte Agent Crawford und schob ihn zur Tür.
Mit einem schlechten Gefühl im Magen und ohne den Chief brach Luther zum Parkplatz auf. »Jetzt sagen Sie mir endlich, was los ist«, verlangte er von den Männern.
Doch die Agenten schenkten ihm keinerlei Beachtung. »Wir fahren Ihnen nach«, antwortete Crawford nur knapp. »Kevin, Sie fahren bei dem Lieutenant mit und bringen ihn auf den neuesten Stand.«
Hannahs Bruder ließ sich auf den Beifahrersitz sinken, und Luther steuerte eilig das Krankenhaus an. »Also, was liegt an?«, fragte er.
Kevins Augen waren ebenso außergewöhnlich grün wie die seiner Schwester. »Westmoreland ist nicht das Individuum«, antwortete er leise.
»Nicht das Individuum.« Luther brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass der eigentliche Übeltäter damit immer noch auf freiem Fuß war. »Wer dann?«, wollte er wissen und trat aufs Gas.
Kevin schaute aus dem Seitenfenster, offenbar stand er unter Schock. »Unser Onkel Caleb.«
Fünf Minuten später bog Luther mit quietschenden Reifen und unter der Ausgehuniform in kalten Schweiß gebadet auf den Krankenhausparkplatz ein. Er erblickte Galworth und Stone, die gerade zu ihrem Winnebago liefen, und hielt, mit der Hand auf der Hupe, geradewegs auf sie zu.
»Wo ist Hannah?«, rief er aus dem Fenster seines Wagens.
Die Leibwächter wechselten Blicke. »Der Boss war hier und hat sie mitgenommen«, eröffnete ihm Stone. »Und er hat uns rausgeschmissen«, ergänzte er und funkelte Luther vorwurfsvoll an.
»Wohin mitgenommen?«, fragte Luther. Der Wunsch, die beiden anzuschreien, schnürte ihm schmerzhaft die Kehle zu.
Stone zuckte teilnahmslos mit den Schultern. »Weiß ich nicht. Er meinte, er wolle nach Oceana. Aber ich schätze, dort wird er auch nicht lange bleiben.«
Luther verkniff sich einen Fluch und trat das Gaspedal durch, sodass Kevin in seinen Sitz gedrückt wurde. Sie fuhren in dieselbe Richtung zurück, aus der sie gerade erst gekommen waren. Himmel, wahrscheinlich waren sie an Hannah vorbeigefahren und hatten es nicht einmal bemerkt.
»Wir müssen sie aufhalten«, sagte Kevin mit gepresster Stimme. Seine Sommersprossen hoben sich nun deutlich von seinem blassen Gesicht ab.
»Das werden wir«, versicherte Luther ihm, obwohl er keine Ahnung hatte, wie viel Vorsprung Newman bereits haben mochte. Er warf den FBI-Agenten, die sich an sie gehängt hatten, durch den Rückspiegel einen finsteren Blick zu. »Verdammt noch mal, warum hat Valentino mich nicht gewarnt, wer in Wahrheit das Individuum ist?«, knurrte er, ohne mit einer Antwort zu rechnen.
»Mir hat er auch nichts verraten«, räumte Kevin ein. »Er wollte wohl, dass Onkel Caleb unvorsichtig wird, um ihn sich dann schnappen zu können. Ich schätze, wenn Hannah und ich im Bilde gewesen wären, hätten wir uns auffällig verhalten und Onkel Caleb wäre alarmiert gewesen, aufzuhören.«
»Ich hätte die Wahrheit für mich behalten können«, beharrte Luther. »Valentino hätte mich darüber unterrichten müssen.« Doch dann fiel ihm wieder ein, wie der FBI-Agent ihn gewarnt hatte, und er schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Verdammt, das hat er ja auch! Ich hab’s bloß nicht kapiert. Aber was bezweckt Newman?«, fragte er sich grimmig.
Kevin schüttelte den Kopf. »Das wissen wir nicht. Agent Crawford hat mir erst heute früh eröffnet, dass unser Onkel damals die Maschine unseres Vaters sabotiert hat.«
Was?! Luther blickte ihn ungläubig an. Newman hatte Hannahs Eltern auf dem Gewissen? Oh Gott, das war gar nicht gut! »Wir werden ihn aufhalten«, versprach Luther. Wie er es hasste, Kevins leeren Gesichtsausdruck zu sehen. Er konnte nicht sagen, wen er mehr zu beruhigen versuchte – Hannahs Bruder oder sich selbst.
Als Luther eine gelbe Ampel missachtete und an der Kreuzung links nach Oceana abbog, entdeckte er genau über sich, jenseits der Baumwipfel, ein zweimotoriges Turboprop-Flugzeug. Kevins Reaktion bestätigte seine schlimmsten
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