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Geburtstag in Florenz

Geburtstag in Florenz

Titel: Geburtstag in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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beim ersten Mal. Ein Räuspern weckte sie nicht. Ihr Kopf, der nur knapp eine Handbreit über dem Papier schwebte, sank gleichwohl nicht auf die Schreibtischplatte nieder. Guarnaccia erhob sich lautlos und schlich auf leisen Sohlen zum Schreibtisch hinüber. Falls sie nicht wach wurde, konnte er versuchen, ihr das Blatt unter der Hand wegzuziehen. Sie hatte die Adresse anscheinend fertig geschrieben. Als er sich über sie beugte, sah er, daß sie mit geschlossenen Augen lächelte. Kaum daß er die Hand nach dem Papier ausstreckte, begann die Feder wieder loszukritzeln.
    »Telefonnummer …«
    Der Maresciallo wich einen Schritt zurück. »Spricht sie Italienisch?«
    »Das will ich doch hoffen. Immerhin studiert sie’s an der Universität. So, bitte.«
    »Danke schön.« Er hielt immer noch das dicke Buch nebst seiner Mütze in der Hand. »Sind Sie auch sicher, daß Sie mir das leihen wollen? Sieht sehr wertvoll aus.«
    »Das ist es auch, zumindest für mich. Es ist nämlich von der Autorin signiert.«
    »Eben. Und die Signora Torrini zum Beispiel hat mir erzählt, daß sie nicht gerne Bücher verleiht, weil …«
    »An mich schon!« Wieder huschte das Eichhörnchenlächeln über ihr Gesicht. »Sie führt allerdings Buch darüber! Eine liebe Dame, die Signora Torrini, aber viel Verstand hat sie nicht.«
    »Sie mag Julian Forbes nicht leiden«, führte der Maresciallo zu ihrer Verteidigung an.
    »Ich hab ja auch nicht gesagt, daß sie keinen Geschmack hat.«
    »Was macht er eigentlich beruflich?«
    »Beruflich, der? Hm! Er gibt vor, Bücher zu schreiben, die aber nie fertig, geschweige denn verlegt werden. Das erste ging über Dante, angeblich. Bin da nicht mehr auf dem laufenden. Durch sie hat er’s aber immer wieder geschafft, in der Gesellschaft als Schriftsteller akzeptiert zu werden. Ich habe ja für solche Methoden nichts übrig. Finde sie sogar ausgesprochen ärgerlich. Wenn man sich bei ihr nach ihren Büchern erkundigt, dann übernimmt er die Antwort. Oder vielmehr, er hat’s getan. Aber das ist ja nun vorbei, nicht wahr? Signora Torrini ist das auch aufgefallen, doch sie spricht nie schlecht über andere Leute. Ich sage, was ich denke, sie dagegen ist eine allzu gutmütige Person.«
    »Mir scheint sie recht unter der Fuchtel von diesem Giorgio zu stehen …«
    »Sie hat ihn aufgezogen.« Die alte Dame ließ sich wieder in ihren samtbezogenen Lehnsessel fallen und musterte in scharf von unten her. »Nicht, daß ich in diesen Dingen persönliche Erfahrung hätte, aber ich nehme an, es ist so wie mit allen Lebensbereichen: Man erntet, was man sät. Familien!« Für die Signorina Müller gehörten sie offenbar in die gleiche Kategorie wie »Liebe!« – »Ich habe mein Elternhaus so früh wie möglich verlassen, und verheiratet war ich nie. Ich hatte ein wunderschönes Leben. Ha!« Das verzückte Lächeln erlosch, und sie setzte hinzu: »Sie sind gefährlich.«
    Über diese letzte Bemerkung konnte der Maresciallo sich nur wundern.
    »Die Intimität der Familie ermöglicht den furchtbarsten Mißbrauch. Wenn man bedenkt, was im Schutze von vier Wänden so alles vor sich geht! Da ist man selbst auf dem Schlachtfeld noch sicherer! Wenigstens trägt der Feind dort eine andere Uniform. Sie sind vermutlich nicht alt genug, als daß Sie im letzten Krieg dabeigewesen wären?«
    »Nein.«
    »Ich habe zwei Kriege mitgemacht. Beide unversehrt überstanden. Allerdings war das Essen furchtbar knapp … Dabei fällt mir ein: Haben Sie zufällig einen Fernseher?«
    »Ja. Den habe ich … ja.« Würde ihm das jetzt eine gute Note einbringen oder eine schlechte?
    Sie schien erfreut. »Ich habe keinen, und hier oben bekommt man natürlich auch nicht jeden Tag eine Zeitung. Ich wüßte gern, wie es um Rußland steht.«
    Der Maresciallo kramte in seinem Gedächtnis, ohne daß ihm etwas eingefallen wäre. Dabei schlief er während der Nachrichten niemals ein, sogar Teresa hätte das zugeben müssen. »Von Rußland hört man zur Zeit nichts Besonderes.«
    »Wahrscheinlich geht’s denen unverändert schlecht. Ich war letzten Monat dort. Nichts Gescheites zu essen und dauernd Ärger mit den Taxis …«
    Ihr Kopf fiel sanft nach vorn, nicht auf einmal, sondern langsam, nach und nach. Offenbar hatte sie angefangen zu träumen, noch bevor sie die Augen schloß, und Moskau mit Österreich während des Krieges verwechselt. Der Maresciallo setzte seine Mütze auf und schlich auf Zehenspitzen hinaus.
    Fara hatte den Wagen schon für die

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